Von Liebe und Hölle
Potentielle Gemeinsamkeiten bei Hadewijch, Lispector und Bachmann
Von Elisabeth Holuscha
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWas haben die Mystikerin Hadewijch aus dem 13. Jahrhundert, die portugiesische Autorin Clarice Lispector und die Österreichin Ingeborg Bachmann gemeinsam? Die Antwort gestaltet sich, selbst nach der Lektüre von Heike Schmitz Buch "Von Sturm und Geisteswut", in dem dieser Themenkomplex behandelt wird, als schwierig. Schmitz vereint die drei Autorinnen unter den drei Schlagwörtern "Leben Schreiben Lieben". Die Liebe hat zwei weitere Bezugspunkte, an denen sie sich orientiert: Mutterland und Vaterland. Das Vaterland ist die patriarchalisch bestimmte Liebesvorstellung, in der die Liebe der Frau unterdrückt wird. Die drei Autorinnen schreiben laut Schmitz mit ihren Werken gegen diese Unterdrückung an. Für alle drei gilt: "Schreibend begehren sie danach, das Leben zu gebären".
Die Untersuchungen zu Bachmann, die den ersten Teil des Buches ausmachen, belaufen sich ausschließlich auf das Buch "Malina". Es wird festgestellt, dass Bachmann im Gegensatz zu den anderen Schriftstellerinnen mit ihren Bemühungen in Bezug auf die Schwarzkunst, "[...] die unmögliche Liebeskunst der Frauen", scheitert, da mit dem Tod des Ichs in "Malina" sich " [...]der endgültige Eintritt in das Vaterland" vollzieht. Hadewijch und Lispector dagegen überschreiten die Grenzen und erreichen damit das Mutterland. Allerdings ist es fraglich, ob der Liebesentwurf, der sich daraus ergibt, überhaupt erstrebenswert ist. Denn diese Idee von Liebe ist analog zu dem Krankheitskonzept der Hysterie im 20. Jahrhundert zu sehen. Dies wird sogar fortgeführt, indem der Begriff der Liebe gegen Ende der Studie in die Nähe der Hölle gestellt wird: "Sie wissen, daß es die höllische Wehe ist, in der das Lebendige zur Welt kommt, und sie kennen die Schmerzen, mit denen das Lebendige das Lebendige fühlt". In anderen Worten bedeutet das, dass der Gang durch die Hölle notwendig ist, wenn man Liebe erfahren will. Ein Zitat von Lispector veranschaulicht dies: "[...] die Hölle war: die grausame Hinnahme des Leids, der feierliche Mangel an Erbarmen mit dem eigenen Schicksal, eine größere Liebe zum Lebensritual als zu sich selbst".
Mit dieser Position stehen Lispector sowie Hadewijch, so die Verfasserin, in der Tradition der "Sturmwut", dem Geist der Frau. Wie bereits erwähnt, fällt Bachmann in diesem Zusammenhang aus dem Rahmen, weil sie im Vaterland verhaftet bleibt. Aber Schmitz verstößt deswegen Bachmann nicht aus dem Bund der "[...] Schwarzkunst der Worte, die Bachmann als eine zu vergessende beschreibt, obgleich sie ihr insgeheim verpflichtet bleibt, [...]".Da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Schmitz diesbezüglich mehr weiß, als Bachmann selbst. Und damit wären wir bei einigen kritischen Anmerkungen zu den Analysen von Heike Schmitz. Ob man sich auf die Thesen von Schmitz einlassen mag oder nicht entspricht sicherlich dem persönlichen Urteil. Allerdings gibt es methodische Mängel, die unabhängig vom Geschmack ins Auge fallen.
Das Buch von Schmitz hat einen ungemein hohen Anspruch an die Leserschaft, dieser ist nicht intellektuell gelagert, sondern orientiert sich an der Geduld. Es gibt ganze Abschnitte, die einzig aus einem Zitate-Patchwork bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Zitate nicht in den Fußnoten vermerkt sind, sondern im fortlaufenden Text. Somit wird das größte Interesse auf eine sehr harte Probe gestellt. Eine weitere Schwierigkeit, die diese Arbeit mit sich bringt, ist der Sachverhalt, dass es der Autorin schwer fällt bei einem Thema zu bleiben. Zwischendurch kommt immer wieder der Verweis, wie sehr sich Bachmann in ihrer Konzeption an die Vorgaben von Heidegger und Gadamer hält, eine sicherlich fragwürdige These an sich. Es folgt ein Exkurs zu Goethes Helena, der mehr Verwirrung als Klarheit schafft. Im zweiten Teil werden die Theorien von Jakob Böhme ausgeführt, daneben wollen allerdings Adorno und Benjamin nicht unerwähnt bleiben. Leider bemüht sich Schmitz nicht weiter um den roten Faden in ihrem Buch. Sätze, die ihre Thesen auf den Punkt bringen und dabei ohne ein Zitat auskommen, sind rar gesät.
Positiv formuliert könnte man sagen, das Buch wurde im Pathos einer Entdeckung geschrieben. Schmitz sieht Zusammenhänge von drei Autorinnen, die nicht unbedingt für alle nachvollziehbar sind, allerdings gibt sie sich auch nicht die Mühe, sie für ein Publikum zu öffnen, das nicht die gesammelten Werke von Hadewijch im Regal stehen hat. Daher wird sich dieses Buch auf einen sehr kleinen Leserkreis beschränken müssen.
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