Die Abgründe der inneren Vorgänge - Michael Billenkamp untersucht Thomas Bernhards Narrativik und poetologische Praxis

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das gesamte Œuvre Thomas Bernhards möchte der Marburger Literaturwissenschaftler Michael Billenkamp in seiner Dissertation untersuchen, um ein literarisches Programm des österreichischen Schriftstellers zutage zu fördern, das dieser beginnend mit den ersten Schreibversuchen in Zeitungen bis hin zu seinem Spätwerk konsequent weiterentwickelte.

Waren die ersten Texte Bernhards noch ein Versuch, die Arbeit und das literarischen Schaffen seines Großvaters Johannes Freumbichler fortzuführen, so emanzipierte er sich - wie Billenkamp darlegt - im Laufe der Jahre mehr und mehr von diesen Grundlagen und entlarvte die zunächst angenommene "positive Setzung der ländlichen Provinz" als trügerische Farce.

Der Vorwurf des "intellektuellen Namedroppings", der dem Autor des Öfteren gemacht wurde, greife ebenfalls zu kurz, seine Beschäftigung mit zahlreichen Philosophen und Theorien gehe viel tiefer, als das ein oberflächlicher Blick vermuten würde. Billenkamp zeigt auch hier, dass gerade der in den Theaterstücken evidente ironische Umgang mit diesen Philosophien Bernhard als souveränen Skeptiker jeglicher Welterklärungsansprüche ausweist. Und so zeigt die Studie, dass im Werk eine schrittweise Evolution der Erzählverfahren zu beobachten ist, vom Protokollanten in "Frost" hin zum konsequenten Verweigern kanonisierter Haltungen und zu einer bewussten Abgrenzung von der Gesellschaft im Spätwerk, in dem Bernhard seinen "Multiperspektivismus" vollends entwickelt hatte.

A.S.

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Titelbild

Michael Billenkamp: Thomas Bernhard. Narrativik und poetologische Praxis.
Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2008.
419 Seiten, 66,00 EUR.
ISBN-13: 9783825355081

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