Guter Einstieg

Klaus Körners biografische Darstellung von Karl Marx

Von David SalomonRSS-Newsfeed neuer Artikel von David Salomon

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die dtv-Reihe "Porträt" hat sich zum Ziel gesetzt, "Biografien bedeutender Frauen und Männer aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik" vorzulegen. Im vergangenen Jahr erschien in ihr eine Biografie von Karl Marx: "Kein Deutscher der Neuzeit hat eine größere Wirkung in der Welt gehabt als Karl Marx", schreibt der Autor Klaus Körner im Vorwort: "Zu seinem Namen bekannte sich die internationale sozialistische Bewegung, die sich anschickte, die Welt zu erobern." Kröner verweist auch auf die "Breite des Werks", die sich "in den unterschiedlichen Textsorten" zeige, in denen Marx publiziert habe: "Er legte vor allem mit dem 'Kapital' ein in der Terminologie der Wirtschaftswissenschaftler seiner Zeit abgefasstes wissenschaftliches Werk vor. Er hat als Journalist über Jahrzehnte anschauliche, fundierte und leicht verständliche Artikel geschrieben, die in das Programm jeder Journalistenausbildung gehören. Marx war einer der glänzendsten Polemiker seiner Zeit, gerade seine Kampschriften haben nichts von ihrer Frische und Verve verloren, dazu gehört etwa das 'Kommunistische Manifest'." Die Biografie und die Tätigkeitsfelder von Marx führen ins Herz von Politik, Philosophie und Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Ein einzelnes Buch, zudem ein knappes, kann daher gar nicht allen Facetten des Marx'schen Lebens und Œvres gerecht werden. Um Enttäuschungen zu vermeiden, sei daher zunächst gesagt, was Körners Buch nicht ist.

Es ist keine Einführung in das "Kapital". Wer eine solche sucht, sollte sich eher an Publikationen wie Michael Heinrichs "Kritik der politischen Ökonomie" oder seinen Band "Wie das Marxsche Kapital lesen?" halten. Das entsprechende Kapitel Körners, das er mit einem Zitat von Marxens Mutter überschreibt - "Wenn Karell Kapital gemacht hätte, statt 'Das Kapital' zu schreiben" - enthält zwar eine kurze Skizze des Marx'schen Programms und eine Zusammenfassung der zentralen im "Kapital" behandelten Probleme, bleibt jedoch zu knapp und oberflächlich, um eine wirkliche Orientierungshilfe zu sein.

Es ist auch keine historische oder sozialhistorische Arbeit über die kapitalistische Produktionsweise im 19. Jahrhundert und die sozialen Bewegungen, die sie hervorbrachte. Über den Alltag der Arbeiterklasse, für die Marx nicht zuletzt schrieb, die sozialen Verhältnisse der europäischen Staaten (Deutschland, Frankreich, Belgien, England), in denen Marx lebte, über die Arbeiterbewegung, ihre Ideengeschichte und Kämpfe, erfährt man wenig. Auch die Geschichte des Marxismus, seiner Lehrmeinungen und Themenfelder, wird lediglich skizziert.

Körners Bändchen ist tatsächlich (nur) eine Biografie. Als solche ist sie informativ, unterhaltsam und anekdotenreich. Ein Schwerpunkt liegt insbesondere auf dem jungen Marx. Körner beschreibt Karls Elternhaus, die bürgerlich-behüteten Verhältnisse in Trier. Ein Jahr vor Karls Geburt war Vater Heinrich Marx vom Judentum zum Protestantismus konvertiert, um weiterhin dem Beruf des Advokaten nachgehen zu können. Der Protestantismus war im katholischen Trier eine Minderheitenreligion ohne nennenswertes Gemeindeleben, "Christentum light", wie Körner schreibt. Wenig überzeugend sind Körners in diesem Zusammenhang vorgetragenen Thesen zu Marxens späterer Schrift zur Judenfrage. Weit eher als ein Beleg für einen Marx'schen Antijudaismus, wie Körner unterstellt, ist diese Polemik gegen Bruno Bauers Fixierung auf das Religiöse ein Text, der beinahe eine implizite Projektionstheorie des Antisemitismus enthält. Wie Körner betont, fand Marx bereits als Gymnasiast in Ludwig von Westphalen, dem späteren Schwiegervater, einen väterlichen Freund, von dem er nicht zuletzt die Liebe zu William Shakespeare übernahm. Als Student der Juristerei in Bonn besuchte er Vorlesungen bei Friedrich Schlegel und versuchte sich als Dichter. Wenig bekannt ist die damalige Bekanntschaft zwischen Marx und Bettina von Arnim, die ihn "um seine Begleitung bei ausgedehnten Wanderungen" bat. Der Studienwechsel nach Berlin erfolgte auf Weisung des Vaters. Hier fand Marx den Anschluss an die linkshegelianische Debatte der Zeit. Entscheidend für den politischen Werdegangs Marxens wurde seine Zeit als "bestimmende Kraft" der "Rheinischen Zeitung" und die Kämpfe um Pressefreiheit in den von Preußen kontrollierten Rheinprovinzen. Nachdem dem Blatt am 19. Januar 1843 die Lizenz entzogen worden war, entschied Marx sich für Paris als neuen Lebensort. Detailliert geht Körner auf die Freundschaft zwischen Marx und Heinrich Heine, dem einstigen Idol der poetischen Versuche, ein: "Beide stimmten in ihrer Kritik der reaktionären Verhältnisse in Deutschland überein. Heines satirisches Spottgedicht 'Deutschland ein Wintermärchen' verdankt seine Schärfe wohl auch den Debatten mit Marx." Doch auch Marx profitierte von den Gesprächen mit Heine. So entlehnt Marx die Hegel zugeschriebene Wendung, wonach "alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal" ereigneten, "das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce", mit der Marx im "achtzehnten Brumaire" die Absurdität der Herrschaft Napoleons III herausstellt, Heines "Buch leGrand" und auch die berühmte Formulierung, Religion sei das Opium des Volks aus der "Einleitung in die Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" findet sich fast wortgleich bei Heine - in dessen "Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland".

Eindringlich beschreibt Kröner die prekäre Lage des Emigranten Marx, der seine preußische Staatsbürgerschaft im Zorn "zurückgegeben" hatte und von nun an staatenlos war. Körners Schilderungen der Boshaftigkeit mit der die preußische Regierung ihren Feinden auch im Exil nachstellte, der Gefahr von Verhaftung und Ausweisung, vermittelt einen Eindruck des Preises, mit dem oppositionelles Engagement im 19. Jahrhundert bezahlt wurde. Noch einmal wird Marx nach Deutschland zurückkehren: 1848, im Kontext der Revolution. Dem vorausgegangen war die Gründung des "Bundes der Kommunisten" und das - mit Marxens Freund Friedrich Engels zusammen geschriebene - "Manifest der Kommunistischen Partei".

Nun arbeitet er abermals als Journalist. Die "Neue Rheinische Zeitung", an der mit Georg Weerth und Ferdinand Freiligrath auch zwei bedeutende Vormärzdichter mitarbeiteten, wurde zum vielleicht wichtigsten Organ der deutschen Revolution. Nach dem Sieg der Konterrevolution wird Marx - wie schon so oft - ausgewiesen. Die letzte Ausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung" erscheint am 19. Mai 1849.

"Paradies und Hölle können eine Stadt sein" - Mit diesem Zitat aus Bertolt Brechts Hollywoodelegien überschreibt Körner das Kapitel über London, Marxens Lebensort seit 1849. Trotz der durch Ferdinand Freiligrath vermittelten Tätigkeit als Europakorrespondent der "New York Daily Tribune" - "mit einer Auflage von fast 200 000 Stück damals die größte Tageszeitung der Welt" - bleibt die materielle Situation der Familie prekär. Ohne die Unterstützungszahlungen von Engels, der für seinen Vater die Dépendance der Engel'schen Fabrik in Manchester leitete, hätte die Familie sich kaum unterhalten können. Wie Körner überzeugend herausarbeitet, wurde die Lebenslage der Marxens noch dadurch erschwert, dass sowohl Karl als auch seine Frau Jenny aus bürgerlichen Familienverhältnissen stammten und zumindest nach außen den kostspieligen "Anschein einer gutbürgerlichen Existenz" zu wahren hatten - auch um den Preis bedrohlicher "Durststrecken". In London schreibt Marx auch den ersten Band des "Kapitals" und die Entwürfe weiterer Bände, die allerdings erst nach seinem Tod von Friedrich Engels in eine druckfähige Fassung gebracht wurden. Ein Kapitel widmet Körner "Karl Marx als Politiker". Hierbei schildert er die Auseinandersetzung mit Ferdinand Lasalle ebenso wie die Gründung und das Scheitern der ersten Internationale. Leider geht er nur kurz auf die Auseinandersetzung zwischen Marx und Michail Bakunin ein. So erwähnt er auch nicht die antisemitischen Ausfälle des russischen Anarchisten gegenüber seinem Kontrahenten.

Körner schließt sein Porträt mit einer knappen Skizze zu "Marx, dem Marxismus und der sozialistischen Bewegung". Soweit dies auf 11 Seiten möglich ist, gibt er einen informativen Überblick über die postmarxschen Diskussionen in der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung. Leider übernimmt er hierbei mitunter Sprachregelungen, die eher Etiketten als erklärungskräftige Begriffe sind. Insbesondere der Begriff eines "dogmatischen Marxismus", der so unterschiedliche Positionen wie die Karl Kautskys und Lenins und selbst Stalins zusammenfasst, verstellt mehr als er aufschließt. Doch trotz solcher Ungenauigkeiten ist Körners Band ein guter Einstieg: Insbesondere für jene, die durch unterhaltsam geschriebene biografische Darstellungen Lust auf mehr bekommen.


Titelbild

Klaus Körner: Karl Marx.
dtv Verlag, München 2007.
189 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783423310895

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