Der konsequente Weg zum Widerstand

Benigna von Krusenstjerns Biografie „daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben“ liefert eine umfangreiche Darstellung des kurzen Lebens von Adam von Trott zu Solz’

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Adam von Trott zu Solz gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des Widerstands gegen die nationalsozialistische Diktatur. Aus heutiger Perspektive betrachtet, war er unter den aktiven Widerständlern einer der politisch fortschrittlichsten. Anders als viele seiner Mitstreiter, die als Militärs oder Diplomaten erst im Verlauf eines langen und für viele von ihnen auch schmerzlichen Lernprozesses den verbrecherischen Charakter des Naziregimes einsahen, war Trott von Beginn an ein Gegner der Naziherrschaft. Diese Einsicht war dabei weniger das Ergebnis einer spezifischen politisch-moralischen Sozialisation, etwa als regimefeindlicher Parteipolitiker oder kritischer Kirchenmann, sondern sie erwuchs aus dem, was man heute zivilgesellschaftliche Verantwortung nennen könnte.

Mit seiner Kontaktfreudigkeit, seiner Internationalität und seiner politischen Neugier behauptete er eine Individualität, die ihn erstaunlich unabhängig von den politisch-sozialen Bedingungen seiner Zeit werden ließ. So emanzipierte er sich als Angehöriger eines alten hessischen Adelsgeschlechtes von allen normalerweise mit dieser Herkunft verbundenen Zwängen und Rücksichtnahmen und entwickelte in der Wahrnehmung der politisch-sozialen Realitäten seiner Zeit ein eigenständiges politisches Profil. Seine internationalen Kontakte und Reisen formten eine souveräne Persönlichkeit, einen homo politicus, der in einem demokratischen Rechtsstaat vielfältige Beiträge zur Zivilgesellschaft hätte geben können. Doch dazu kam es leider nicht mehr. Als die Nazis 1933 die Macht ergriffen, war Trott gerade 24 Jahre alt.

Benigna von Krusenstjern legt nun erstmals eine umfangreiche Lebensbeschreibung des Adam von Trott zu Solz vor. Sie versucht ihn „als denkenden, fühlenden und handelnden, als fragenden, suchenden und irrenden, als wagenden, kämpfenden und leidenden Menschen zu erfassen.“ Es ist, weil es ein kurzes Leben war, „überwiegend eine Entwicklungsgeschichte“.

Diese ist zunächst durch die intensive Beziehung zu den Eltern geprägt. Ausgiebig zitiert die Autorin aus den Briefen zwischen Trott und seinen Eltern. Sie zeigen, dass die Mutter Eleonore bis zu seinem Tode eine Vertrauensperson in persönlichen, aber auch beruflichen und zuweilen sogar politischen Angelegenheiten war. Auf andere Weise prägend war das Verhältnis zum Vater. August von Trott, hochrangiger Staatsdiener im Kaiserreich, erweist sich in den Briefen als verständiger ‚Erzieher‘. Der „Monarchist“ akzeptierte nicht nur die andersgearteten politischen Sichtweisen des Sohnes, sondern unterstützte ihn ratgebend immer wieder bei der Findung seines eigenen Weges.

Der verlief keineswegs zielgerichtet. In der Nazigesellschaft fiel es Trott schwer, berufliche Perspektiven zu finden. Einen Ausweg bot der akademische Bereich. Der schien noch vergleichsweise frei von nationalsozialistischen Zumutungen und bot Trott seinen Fähigkeiten entsprechende Möglichkeiten. Durch seine Art, schnell und unkompliziert Kontakte zu Menschen herzustellen, lernte er in der Schweiz, vor allem aber in England, wo er als angesehener Rhodes-Stipendiat in Oxford studierte, eine Fülle von Menschen aus Politik und Gesellschaft kennen. Studienaufenthalte in Amerika und China festigten dieses – wie man heute sagen würde – Netzwerk. Akribisch und zuweilen in der Ausgiebigkeit etwas ermüdend dokumentiert von Krusenstjern die Auslandsaufenthalte Trotts und seine vielen Kontakte während der 1930er-Jahre.

Seit 1939, angesichts der wachsenden Kriegsgefahr und mit Beginn seiner Tätigkeit im Auswärtigen Amt 1940, intensivierte Trott seine Widerstandsaktivitäten. Während er sich formal in das NS-System eingliederte – 1940 war er der NSDAP beigetreten – wurde er zu einer zentralen Persönlichkeit des Widerstands. Er stieß zum „Kreisauer Kreis“ um Helmut James Graf von Moltke, war von der Notwendigkeit überzeugt, den Diktator zu beseitigen, und gehörte zum engen Kreis des 20. Juli. Als eine Art ‚Außenminister‘ des Widerstands nutzte er seine diplomatische Stellung zur Aktivierung seiner Kontakte ins Ausland, wobei ihm sein Netzwerk zugute kam. Doch Trotts Reiseaktivitäten blieben vergeblich – es gehört zur Tragik des Widerstands gegen Hitler, dass es nicht gelang, Verbündete auf Seiten der Alliierten zu finden. Trotts Denkschriften, seine Mahnungen an die Alliierten, den Widerstand zur Kenntnis zu nehmen, blieben letztlich folgenlos. Am Ende standen sie alleine da. So geriet auch Trott nach dem missglückten Attentat seines Freundes Claus Schenk Graf von Stauffenberg in die Hände der Nazi-Schergen. Nach einem Schauprozess vor Roland Freislers Volksgerichtshof wurde er am 26. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

In Krusenstjerns streng chronologisch angelegter Darstellung wird das kurze Leben des Adam von Trott jedoch nicht auf den aktiven Widerständler konzentriert. Trott war nicht zum Widerstandshelden geboren. Vielmehr zeigt Krusenstjerns sorgfältig aus den vorliegenden Zeugnissen und Quellen gezeichneter Lebenslauf Trotts, wie ein kluger, suchender, in vielerlei Lebensangelegenheiten noch keineswegs entschiedener junger Mann angesichts der Herausforderungen schließlich zu einer konsequenten Haltung findet. Das ist abseits einer verklärenden Heldenverehrung bis heute lehrreich, denn zu seiner Haltung führten Trott jene zivilgesellschaftlichen Standards des Miteinanders, die Voraussetzung einer lebendigen Demokratie sind. Diese suchte er gegen das verbrecherische Naziregime zu behaupten. Sinnbildlich hierfür wirken die Filmaufnahmen, die während des Schauprozesses gegen Trott und andere entstanden sind: vor Freislers brüllender Unmenschlichkeit behauptet sich die leise Erscheinung Trotts. Im Bild des gequälten Angeklagten überlebt das autonome Individuum in seinem zivilgesellschaftlichen Kontext. Es ist eine sinnige Geste, dass Krusenstjern ihr Buch mit diesem Bild einleitet.

Titelbild

Benigna von Krusenstjern: "daß es Sinn hat zu sterben - gelebt zu haben". Adam von Trott zu Solz 1909-1944 Biographie.
Wallstein Verlag, Göttingen 2009.
632 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783835305069

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