Die Lust am Wiederholen von Fehlern

Henning Mankell skizziert in „Daisy Sisters“ drei Generationen

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Längst ist bekannt, dass Henning Mankell sich nicht nur Krimis widmet. Tatsächlich hat er schon lange bevor seine Werke hierzulande bekannt wurden, Bücher geschrieben, die in seiner Heimat bereits Beachtung gefunden haben. Einer davon ist der Roman „Daisy Sisters“, dessen Erzählung sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt und sich dabei mit verschiedensten Themen beschäftigt.

Das Jahr 1941 ist auch für die Einwohner von Schweden alles andere als ein gewöhnliches. Direkt vor der eigenen Haustür tobt der Zweite Weltkrieg und man lebt in Angst. Das hält die beiden Brieffreundinnen Elna und Vivi bei deren ersten Begegnung allerdings nicht davon ab, eine gemeinsame Radtour zu machen. Leider läuft diese nicht ganz so harmlos ab. Als sie sich mit zwei Soldaten einlassen, wird Elna betrunken gemacht und vergewaltigt. Zu allem Überfluss wird sie schwanger und ungeschickte Abtreibungsversuche scheitern, ihr Leben als Jugendliche ist zerstört.

1956 ist ihre Tochter Eivor vierzehn Jahre alt, als sie eine Bekanntschaft macht, die auch ihr später noch viele Probleme bereiten wird. Ihr Nachbar Anders beherbergt einen jugendlichen Straftäter namens Lasse Nyman. Mit diesem versteht sie sich gut, lange Zeit gibt es auch keine Probleme. Bei einem Streit mit ihrer Mutter beschließt sie, mit Lasse auszureißen. Doch der Jungkriminelle hat keine romantischen Absichten. So erfährt sie das gleiche Schicksal wie ihre Mutter – abgesehen davon, dass sie nicht schwanger wird. Nur wenige Jahre später, kurz nachdem sie nach Göteborg gezogen ist, um dort zu arbeiten, lernt sie einen Mann kennen. Sie versteht sich sehr gut mit ihm, das einzige womit er nicht zu Recht kommt, sind ihre eigenständigen Ideen. Quasi als Revanche für eine ihrer „Flausen“ hat er ungeschützten Sex mit ihr und sie wird sofort schwanger – kurz bevor sie einen besseren Job bekommen hätte. Das gleiche geschieht nur zwei Jahre später, als sie wieder halbtags arbeiten gehen möchte. Doch ihr und ihrer Mutter, die gelegentlich noch Kontakt mit ihrer alten Freundin Vivi hat, bleiben weitere Schicksalsschläge nicht erspart. So steht für Eivor auch noch ein Wiedersehen mit ihrem Jugendfreund Lasse aus, das ebenfalls nicht ohne Folgen bleiben soll.

Der im Jahr 1982 entstandene Roman „Daisy Sisters“ erzählt von verschiedenen Zeitperioden, unterschiedlichen Figuren und ähnlichen Schicksalen. Dabei wechselt der Roman mehrfach die Perspektive – beispielsweise aus Sicht des Alkoholikers Anders erzählt, aus jener des komplizierten und etwas verwirrten Erz-Sozialisten Rune und natürlich aus jener von Mutter und Tochter, Elna und Eivor. Mankell greift historische Ereignisse auf, nutzt sie aber lediglich für den Rahmen seiner Erzählung. Er schreibt von der Emanzipation und ihren Grenzen, er erzählt von Fehlern, die immer und immer wieder gemacht werden und davon, dass ein Lerneffekt oft erst sehr spät einsetzt. Der Autor diskutiert politische Sichtweisen und stellt in Frage, inwieweit diese innerhalb von niedrigeren sozialen Schichten überhaupt verstanden wurden. Insgesamt ist allerdings trotzdem nicht völlig klar, worauf Mankell eigentlich hinauswollte und das Buch lässt einen etwas ratlos zurück. Es bleibt ein wenig der Eindruck, dass „Daisy Sisters“ um des Schreibens willen selbst geschrieben wurde. Wenn einen das als Leser anspricht, kann man gerne zugreifen – Mankells Schreibstil ist durchaus lesenswert. Ansonsten weist das Buch nur wenig klare Linien auf.

„Daisy Sisters“ ist eines von Mankells frühesten Werke. Leider scheint der Autor damals noch nicht genau gewusst zu haben, welche Art von Roman er eigentlich schreiben wollte – nicht Fisch und nicht Fleisch. Das Buch kann eigentlich nur all jenen empfohlen werden, die sich für schwedische Geschichte interessieren und Mankells Worte lieben. Denn an Worten besteht in diesem Buch kein Mangel.

Titelbild

Henning Mankell: Daisy Sisters. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Heidrun Hoppe.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2009.
558 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783552053991

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