Golem, Limehouse und das war´s

Bei Peter Ackroyd knirscht die Mechanik des Romans

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Golem ist ein künstlich erschaffenes Wesen, furchterregend und blutgierig - das Frankensteinsche Monster des Mittelalters. Und Limehouse ist eine verrufene Gegend im Londoner Eastend, Sündenpfuhl und Mördergrube in einem. Mehr gibt es leider an dem neuen Roman des britischen Schriftstellers und Literaturkritikers Peter Ackroyd (*1949) nicht zu erklären. Man muß sich selbst etwas Angst einjagen und sich ums Gruseln bemühen, denn der sonst so phantasievolle und formal versierte Ackroyd bewegt sich diesmal nur an der Oberfläche seiner Geschichte: Im Jahr 1880 geht ein bestialischer Massenmörder in Limehouse um, und verschiedene Leute von Music-Hall-Star Dan Leno (ein Vorläufer von Charlie Chaplin) bis Karl Marx sind verdächtig. Diese banale Geschichte gewinnt zwar durch ihre Präsentation als Textcollage aus Gerichtsprotokollen, Tagebucheinträgen und Ich-Erzählungen des Mörders und seiner lebensgierigen Frau, der Varieté-Künstlerin Elizabeth Cree. Die Mechanik des Romans knirscht jedoch vernehmlich, auch wenn das Pastiche-Getriebe mit etwas Melodram und Schauerroman, etwas Sozialkritik und Lokalkolorit geschmiert wird. Und so kann man Peter Ackroyd, der schon so faszinierende Romane wie "Der Fall des Baumeisters" (1991) geschrieben hat, nur den Satz zurufen, mit dem Elizabeth Cree jeden Abend die Bühne betritt und mit dem sie schließlich vom Schafott aus dem Leben stürzt: "Auf ein neues!"

Titelbild

Peter Ackroyd: Der Golem von Limehouse. Roman. Übers. v. Rullkötter, Bernd.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998.
336 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3498000470

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