Nachträge zum Wagner-Clan

Oliver Hilmes erzählt von Cosimas Kindern und Kindeskindern

Von Clarissa HöschelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Clarissa Höschel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit 320 handlichen Seiten präsentiert sich das neue Buch von Oliver Hilmes, um über Cosima Wagners Nachkommen zu berichten. Dass dies nicht ohne eine umfassende Darstellung der Clan-Mutter Cosima geht, versteht sich fast von selbst. Und dass sich deshalb auch Vieles aus Hilmes’ Biografie („Herrin des Hügels“) hier wiederfindet, ebenfalls. Nicht umsonst weist er in seinem Vorwort selbst darauf hin, dass sein neuestes Werk „die logische Fortsetzung meiner Cosima-Wagner-Biografie ,Herrin des Hügels‘ dar[stellt], ohne deren Lektüre vorauszusetzen.“ Das Buch will vielmehr „ein biografisches Verzeichnis“ sein, „das die Familienmitglieder [angefangen bei Cosima und ihren beiden Ehemännern] in das richtige Verhältnis zueinander setzt.“

Dass bei dieser biografischen Aufgabenstellung Überschneidungen vorprogrammiert sind, ist nicht weiter verwunderlich – dass diese zuweilen bedenkliche Ausmaße annehmen, fällt jenen Lesern auf, die auch die entsprechenden ‚Konkurrenzbücher‘ kennen. Vor allem Hilmes’ eigenes Vorgänger-Werk und Hamanns Winifred Wagner-Biografie sind es, die immer wieder mehr oder weniger deutlich durchscheinen – am wenigsten auf den ersten Blick in den Abbildungen, dafür umso mehr in den erzählten Episoden und verwendeten Zitaten.

Kein Wunder also, dass man den Inhalt der ersten sechs der insgesamt acht Kapitel größtenteils aus der Cosima-Biografie kennt; ab Kapitel sechs finden sich zudem deutliche Überschneidungen zu Hamanns Winifred-Biografie, was sich auch in den jeweils verwendeten Quellen widerspiegelt.

Wirklich neu im „neuen Hilmes“ sind vor allem die Ausführungen der letzten beiden Kapitel zu Cosimas Kindeskindern des Gravina-Clans (Maria, deren Tochter Blandine von Wenden, Guido und Manfredi) und zu den Töchtern Daniela, Blandine und Eva, mit deren Ableben (sie starben im Jahresabstand Anfang der 1940er-Jahre) das Buch endet; es folgt ein kurzer Epilog, der Bayreuth seit Kriegsende bis in die Gegenwart hinein skizziert.

Der bei dieser Themenstellung sinnvolle Aufbruch einer stringenten Chronologie zugunsten einer „Konzentration auf die zentralen dynastischen Lebensfragen“, denen kapitelweise nachgegangen wird, macht das Nachlesen tatsächlich einfacher und das Buch eher zu einer Sammlung von Geschichten als zu einem komplexen biografischen Werk. Mit dem gewohnt umfangreichen Apparat, der neben Quellenverzeichnis, Literaturliste und Personenregister auch eine vierseitige Zeittafel mit den wichtigsten Daten zu den fünf Cosima-Kindern beinhaltet, genügt es auch den Ansprüchen jener, die das Buch über die reine Lektüre hinaus als Nachschlagewerk nutzen.

Wer sich dann noch für die letzten „kleinen Geheimnisse“ interessiert, der mag beispielsweise nachrecherchieren, ob Siegfried Wagners Sarg „rechtmäßig“ von den Nazis getragen wurde (wie Hamann suggeriert), oder den honorigen Stadtvätern „gewaltsam“ entrissen wurde, wie es im neuen Hilmes (nicht aber in der Cosima-Biografie!) zu lesen ist. Auch bleibt weiterhin strittig, ob Siegfried und Winifred Wagner vorab über den bevorstehenden Hitler-Putsch (1923) informiert waren, wie Hilmes vermutet, oder nur zufällig zu genau jener Zeit einen Konzerttermin in München wahrnehmen wollten, der dann aber aufgrund der Ereignisse abgesagt wurde.

Insgesamt ist das Buch eine gut recherchierte, sachlich vorgetragene und flüssig verfasste Darstellung, die zwar Vieles wiederholt, aber dennoch auch Neues zu berichten weiß. Mehr als eine „logische Fortsetzung“ ist es allerdings ein Nachtrag, der die umfangreichen Quellenstudien des Vorgängerwerkes nutzt und an einigen Stellen zu Ende führt.

Doch machen wir uns nichts vor: Historisch relevant sind schlussendlich zwei Ehepaare, von denen die angeheirateten Ehefrauen – Cosima und Winifred – nicht nur ihre jeweiligen Ehemänner – Richard und Siegfried – um ein halbes Jahrhundert überlebten, sondern auch nach deren Tod mit der Übernahme der Festspielleitung einen ganz eigenen Kult begründeten, der bis heute – und zwar der eine wie der andere – seinesgleichen sucht.

Titelbild

Oliver Hilmes: Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie.
Siedler Verlag, München 2009.
320 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783886808991

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