Stockschwarz ohne Licht im Dunkel
Christoph Meckels Buch über Peter Huchel frischt die Wahrnehmung an einen der besten deutschsprachigen Lyriker auf
Von Volker Strebel
Besprochene Bücher / Literaturhinweise„Erinnerungen an Peter Huchel“ lautet der Untertitel dieses schön aufbereiteten Bändchens, das von Christoph Meckels Freundschaft mit Peter Huchel (1903-1981) berichtet. Es war eine besondere Beziehung, immerhin trennte die beiden ein Altersunterschied von drei Jahrzehnten.
Die frühesten Erinnerungen des 1935 geborenen Christoph Meckel an Peter Huchel stammen aus den 1930er-Jahren. Christoph Meckels Vater Eberhard war bereits mit Peter Huchel befreundet. Gemeinsam mit Günter Eich, dem dritten im Bunde, waren die jungen Schriftsteller mehrmals in einen gemeinsamen Arbeitsurlaub nach Poberow an der Ostsee gefahren, wo Günter Eich einen Holzbungalow besaß. Man tauschte sich über das Geschriebene aus und verbrachte gemeinsam eine produktive Zeit.
Der junge Meckel wunderte sich, dass sich diese drei Künstler trotz aller Freundschaft und Vertrautheit dennoch mit ihren Familiennamen anredeten. Bemerkenswerterweise wurde diese Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in der bisherigen Weise weitergeführt. Die Wege der drei verliefen buchstäblich in verschiedene Richtungen. Erst in den 1960er-Jahren lassen sich noch einmal verstärkte Annäherungen verzeichnen.
Die Lektüre des ersten Huchel-Buches „Gedichte“ von 1948, das mit persönlicher Widmung im Bücherschrank des Vaters stand, begleitete den jungen Christoph Meckel wie ein Schatten. Begierig verschlang er diese Gedichte: „Ich liebte Peter Huchels Welt und glaubte die Verse wie kein anderer zu kennen“.
Meckel war begeistert von Huchels Wortschatz und er konstatiert, dass ein bestimmtes Vokabular wie „Reuse, Eis, Nebel, Brache, Öde, Schnee und Wasser“ kreisend in Huchels Gedichten immer wiederkehrt. Huchel ließ sich seine Verse sozusagen auf der Zunge zergehen, murmelte sie wieder und wieder vor sich hin, bis die Wortkiesel zu einem fertigen Gedicht zurechtgeschliffen waren.
Man spürt Meckels Beschreibungen die intensive Beschäftigung mit Huchels Versen, vor allem aber auch die Verinnerlichung ihrer Klänge ab. Sensibel und sprachgewandt zugleich charakterisiert Meckel Huchels poetische Welt: „Peter Huchels Meisterschaft ist nicht Artistik, sondern Magie. Sein Reim erscheint selbstverständlich wie Luft und Atem, und bleibt ein Zauber“.
In der jungen DDR hatte Peter Huchel einst die diffizile Aufgabe übernommen, das internationale Renommé der Republik mit der Leitung der herausragenden Literaturzeitschrift „Sinn und Form“ zu unterstützen. Nach einem guten Jahrzehnt wurde ihm dieses Amt auf üble Weise von engstirnigen Funktionären abgenommen. Kein geringerer als der mächtige Kurt Hager nahm sich im Parteiblatt „Neues Deutschland“ die Zeitschrift „Sinn und Form“ vor, als er ihr wünschte, „daß sie einmal aus ihrer feinen Zurückhaltung und Beschaulichkeit, die etwas von der Art englischer Lords an sich hat, ihrer noblen Betrachtungsweise und philosophischen Skurrilität heraustreten möchte und einmal parteilich zu den so nahen und wichtigen, so großen und erhabenen Problemen des Schönen in unserem sozialistischen Aufbau Stellung nehmen möchte“.
Eine fast zehnjährige Zeit schrecklicher Isolation in Wilhelmshorst war die Folge. Nur einige wenige mutige Schriftsteller wie der Tscheche Ludvík Kundera oder junge DDR-Autoren wie Reiner Kunze, Wolf Biermann, Bernd Jentzsch oder Uwe Grüning wagten es, den Kontakt zu Huchel aufrecht zu erhalten. In seinen Erinnerungen berichtet Christoph Meckel von den Beklemmungen, die er als Westler empfand, wenn er Peter Huchel besuchen wollte. Sein Anwesen in Wilhelmshorst stand rund um die Uhr unter Beobachtung: „Das Taxi hält gegenüber der Staatslimousine, die stockschwarz ohne Licht im Dunkel der leeren Straße stand“. Ein stummes Memento einer allesüberwachenden unsichtbaren Macht, die das Land und nicht zuletzt manche Seele wie Mehltau überzog.
Diese Situation einer schleichenden Erwürgung war es wohl, die Huchel zuweilen bitter werden ließ. Dem DDR-Schriftsteller Johannes Bobrowski warf er mangelnde Courage vor. Meckel berichtet über Huchels Enttäuschung, die dieser in harsche Worte gefasst hatte. Meckel wird dies umso härter getroffen haben, als er, wie seine „Erinnerungen an Johannes Bobrowski“ (1989) belegen, mit Bobrowski ebenfalls gut bekannt war.
Ein Vorzug dieser Erinnerungen an Peter Huchel liegt darin, dass auch über Meckels Kontakte zu Peter Huchel berichtet wird, nachdem dieser 1971 aus der DDR in den Westen gekommen war. Die letzten zehn Lebensjahre im Westen, von 1971 bis 1981, hat Huchel, soweit die Kräfte reichten, noch weidlich genutzt. Seine märkische Heimat vergessen hat er nie.
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