Das Rätsel der Nächstenliebe

Lee Alan Dugatkin schreibt über Wissenschaftler, die unseren Altruismus erforschen

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Woher stammt unser Bedürfnis, anderen zu helfen? Wie ist es entstanden? Und welche Rolle nimmt Güte in der menschlichen Entwicklungsgeschichte ein? Es sind diese bis heute ungelösten Fragen, mit denen sich schon Charles Darwin, der Vater aller Evolutionstheorien, beschäftigte und die Alan Dugatkin in seinem Buch „Wie kommt die Güte in die Welt? Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den Anderen“ wieder aufgreift.

Für Darwin stellte sich die Güte als Achillesverse seiner Evolutionstheorie dar, denn strenggenommen müsste in der natürlichen Auslese jeder Altruismus zum Störfaktor im rücksichtslosen Überlebenskampf der Arten werden. Dass Menschen – und in gewissem Maße auch Tiere – dennoch Hilfsbereitschaft zeigen, Güte walten lassen, sich um Andere kümmern und ihnen zur Seite stehen, ist daher eines der großen Rätsel in der Wissenschaftsgeschichte, dem die Forschung seit über hundert Jahren versucht auf die Spur zu kommen.

In „Wie kommt die Güte in die Welt“ zeichnet Lee Alan Dugatkin auf eingängige Weise die naturwissenschaftliche Forschungsgeschichte zum Thema Nächstenliebe nach. In den neun Kapiteln breitet der Autor nicht nur die wissenschaftlichen Ergebnisse in chronologischer Reihenfolge vor dem Leser aus, sondern koppelt diese eng an die Geschichte der jeweiligen Wissenschaftler, denen wir die zahlreichen Erkenntnisse zum Thema Güte zu verdanken haben. Auch wenn dadurch die ein oder andere Anekdote in den Text rutscht, die dem Buch manchmal eine zu populärwissenschaftliche Note gibt, zeigen die Exkurse zur Persönlichkeit der Forscher vor allem, dass die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Arbeit vielleicht objektiv sein mögen, Wissenschaftler es hingegen aber auf keinen Fall sind. Vielmehr beeinflussen ihre Einstellungen, Vorlieben und Vorbilder das Ergebnis ihrer Arbeit.

„Immer wieder werden wir sehen, wie in der hundert Jahre währenden Odyssee von Darwins ursprünglichen Ideen bis zu unseren heutigen mathematischen Modellen zu Altruismus und Verwandtschaft persönliche Ansichten ihre Spuren hinterlassen haben. Zweifellos können sich Wissenschaftler absolut objektive Experimente zum Verhältnis zwischen Verwandtschaft und Altruismus ausdenken, selbst wenn sie bereits eigene Ansichten zu dem Thema haben. In diesem Fall ist es nur sehr viel schwieriger als bei anderen Themen, weil dabei die Frage eine Rolle spielt, wie es zu einem selbstlosen Verhalten kommt – und das interessiert jeden.“

Charles Darwin, „der russische Prinz Kropotkin, der die Gesellschaft auf dem Altruismus begründen wollte“, Henry Huxley, Warder Clyde Allee, der „brillante Biologe Georg Price, der – besessen vom Altruismusproblem – Selbstmord beging“, J.B.S Haldane und William Donald Hamilton ist es vielleicht nicht gelungen, das Rätsel um die Güte zu lösen, immerhin aber haben sie auf dem Weg dorthin zahlreiche entscheidende Erkenntnisse gemacht, die ihren Beitrag dazu leisten, dass der Mensch lernt sich selbst besser zu verstehen.

Lee Alan Dugatkin, der selbst als Professor der Biologie an der University of Louisville / USA forscht und zahlreiche populäre Wissenschaftsbücher über die Gabe der Kooperation von Tier und Mensch verfasst hat, erklärt die verschiedenen Wissenschaftsmodelle, Theorien und Debatten auf verständliche Art und Weise und gibt den Männern, die sich auf die Spur machten, das Geheimnis der Güte zu entschlüsseln, ein Gesicht.

Titelbild

Lee Alan Dugatkin: Wie kommt die Güte in die Welt? Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den Anderen.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Kurt Beginnen.
Berlin University Press, Berlin 2008.
183 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783940432025

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