Nick Knatterton und Stefan George

Marc Degens erzählt in „Abweichen“ von Büchern, Comics und Musik

Von Kay ZiegenbalgRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kay Ziegenbalg

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Bitte, liebe Leser, sollten Sie den Musik liebenden Literaten kennen, zögern Sie nicht, sich mit mir in Verbindung zu setzen.“ Dieser Aufruf erschien kürzlich im Online-Feuilleton „satt.org“, zu dessen Herausgebern Marc Degens gehört.

Was war passiert? Die Anzeige einer bekannten Agentur für Partnervermittlung lockte geistreiche Damen mit dem Konterfei eines Schönlings a la OTTO-Katalog. Dieser Kandidat sei Literat – lockt das Inserat. Marc Degens hat lange in seinem Adressbuch und seiner Erinnerung gewühlt und ihn trotzdem nicht wieder erkannt – das hat verständlicherweise niemand. Wenig später dann ein Hoffnungsschimmer: In einer weiteren Verlautbarung der Agentur steckte das nächste Puzzlestück. Unser schöner Literat liebt Musik.

Im Gegensatz zu unserem Hochglanz-Archetypen macht Marc Degens ernst: Er ist Literat und liebt Musik – darüber hinaus Comics, Kritik, lebt mittlerweile in Armenien und bastelt an neuen Texten, die sein recht umfangreiches Œuvre nur bereichern können. Auf der Bühne – mit dem Live-Feuilleton „Die Begeisterungsshow“, in der Lyrik (auch mit Musik und Video), in der Prosa und dem Essay hat er sich erprobt und sympathisiert durch die Verwendung privater Fotografien für die Presse.

Unter dem viel versprechenden aber in die Irre führenden Titel „Abweichen“ erschien im Leipziger ERATA Verlag eine Sammlung von Feuilletons, die seit 1999 in den verschiedensten Medien erschienen sind. Es geht offenbar um die Randbereiche des Kulturbetriebs. Fern jeder Nischen-Agitation präsentiert der Autor in prägnanter trockener Sprache seine Eindrücke, verknüpft diese fix mit der jüngeren Publikationsgeschichte, die jedes Objekt seiner Beobachtungen umgibt und ist sich nicht zu schade, das Wort „schön“ zu benutzen. Ganz schön angenehm.

Zu T. Raumschmieres elektronifiziertem Punk und Nick Knatterton gesellt sich hier Stefan George. Dieses Spektrum wäre Degens nicht gelungen, hätte er sich partout von Kategorien wie Akzeptanz und Kanon ferngehalten.

Da der umrissene Randbereich allerdings nur in der Perspektive des Etablierten, des Kanonischen existiert, wäre es vermessen, die Leistung des Abweichens für diese Aufsätze und Kritiken zu reklamieren. Im Gegenteil: Wer auch immer den Empfehlungen Degens’ folgt, trägt dazu bei, dass der Rand ins Zentrum rückt. Es ist dieses auferlegte Vertrauen in so etwas wie den Untergrund, dass diese Textsammlung überhaupt nicht nötig hat. „Features, lines no horizon frames“, wie es in einem Gedicht Michael Hamburgers heißt.

Titelbild

Marc Degens: Abweichen. Über Bücher, Comics, Musik.
Edition + Galerie Erata, Leipzig 2009.
130 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783866600706

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch