Immer wenn ein Reich zusammenkracht

Hu Hong schrieb in der Song-Dynastie das wichtigste Buch des Neokonfuzianismus, das Zhiyan

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Wer in Ruhe die Muster der zehntausend Dinge betrachtet, findet leicht die Freude unseres Herzens. Deshalb ist die Ausbildung des Edlen erst vollkommen, wenn Menschlichkeit und Wissen ineinander verschmolzen sind.“ In prägnanten Sätzen beschreibt Hu Hong, wie der Einzelne und wie die Gesellschaft beschaffen sein soll: „Wahrhaftigkeit ist der rechte Weg der Bestimmung! Mitte ist der rechte Weg des Wesens! Menschlichkeit ist der rechte Weg des Herzens!“

In der Wirrnis nach dem Zusammenbruch der Tang-Dynastie versuchten die Konfuzianer, die alten Regeln zu präzisieren, den moralischen Verfall aufzuhalten und die Grundlagen des Staates wieder zu stärken. Vor allem „Worte kennen“ ist eine Hauptschrift des konservativen Widerstands, auch als Kampfschrift gegen Buddhismus und Daoismus, geworden. Schon von den ersten Kapiteln an wird das klar. So schreibt er: „Die Buddhisten machen zwar ihr Herz feste, aber sie ordnen nicht ihre Geschäfte. Deshalb scheint es, als könnten sie umfassend zur Wahrheit durchdringen, solange man nur auf ihre Worte hört. Prüft man jedoch ihre Taten, dann stellt man fest, dass sie durcheinander sind. Die Konfuzianer ordnen ihre Geschäfte, und ihre Herzen kennen Gebote, die sie nicht übertreten. Deshalb kommen sie nach innen gerichtet nicht davon ab, sich selbst zu vervollkommnen, und nach außen gerichtet nicht davon, Dinge zu vervollkommnen. So können sie Reform und Erziehung preisen und mit Himmel und Erde eine Dreiheit bilden.“ Schön wär’s. Denn das ist natürlich nur die Theorie, die umso dringlicher wiederholt wird, je mehr die Praxis davon abwich. Je mehr man über Moral schreibt, desto deutlicher wird, wie wenig man sie ausübt – das ist schon immer so gewesen. Und so erinnert es schon ein bisschen an eine Beschwörungsformel, wenn man Wahrhaftigkeit, Mitte und Menschlichkeit immer wieder betonen muss. Aber es war eben eine schwierige Zeit, und da war es nötig, sich an eine Theorie zu halten, die einen aufrichten und auch den Staat wieder ordnen konnte.

Im dritten Kapitel von „Worte kennen“ geht es um die Kritik am Daoismus, deren Begrifflichkeit Hu Hong für falsch erklärt. Eine Polemik, die wohl notwendig war, weil die Terminologie der Neokonfuzianer der daoistischen sehr ähnlich war. Man musste sich also absetzen, und das macht Hu Hong in kräftigen Worten. Aber später wird er auch konkret, erörtert den richtigen Weg der Könige der Vorzeit, betont das „rechte Lernen“, das nicht bei abstrakten Theorien stehen bleibt, wie es die Buddhisten tun, sondern immer konkret bleibt, anwendbar, wichtig.

Man kann mit diesem wohl wichtigsten Buch des Neokonfuzianismus auch sehen, dass China nie das Land eines fröhlichen Synkretismus gewesen ist, sondern dass es auch Schulen gab, die sich scharf von anderen abgrenzten. Es ist eine sehr wichtige kulturhistorische Lektüre, und von daher ist es schon sehr seltsam, dass dieses Werk erst jetzt in eine westliche Sprache übersetzt wird. Hans von Ess erledigt diese Aufgabe präzise und mit einem riesigen, sehr brauchbaren Kommentar.

Titelbild

Hu Hong: Worte kennen = Zhiyan.
Herausgegeben von Hans vann Ess.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
400 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783458700210

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