Ein Ring, der kein Glück brachte

Über Ulrich Ritzels neuen Kriminalroman „Beifang“

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im August 1999 erschien Ulrich Ritzels Debüt „Der Schatten des Schwans“ im Libelle Verlag in Lengwil am Bodensee. Diese folgenreiche Publikation begann mit einer Szene aus dem Jahr 1945 und schwenkte dann in die damalige Gegenwart, in das Jahr 1998. Sechs Romane und zehn Jahre später liegt seit kurzer Zeit „Beifang“, Ritzels aktuelles Buch vor, das mit einer Szene aus dem Sommer 1942 eröffnet und dann in den Februar 2008 wechselt. Der Jurist und ehemalige Journalist, der vor allem seiner Gerichtsreportagen wegen einen exzellenten Ruf genoss, lebt heute, mit knapp 70 Jahren, in der Schweiz und im Schwarzwald. Mit Hans Berndorf hat er einen Kommissar geschaffen, der zwar nicht einzigartig in der Kriminalliteratur ist, der aber trotzdem einiges Potenzial hat, als Referenz für andere Helden seines Genres zu stehen. Dieser Hans Berndorf, der vor Jahren den Dienst bei der Kripo in Ulm aus Altersgründen beendet hat, fährt nun von Berlin kommend, wo er heute mit seiner Partnerin Barbara lebt, an seine alte Wirkungsstätte zurück. Im Auftrag des Rechtsanwalts Eisholm soll er ein paar Ermittlungen durchführen, die zur Klärung eines am Ulmer Gericht laufenden Verfahrens gegen dessen Mandanten beitragen sollen. Der Angeklagte, ein Rückkehrer aus dem Kosovo, soll in volltrunkenem Zustand seine Frau umgebracht und dann mit deren Auto an eine entlegene Stelle gebracht haben. Seine Fähigkeit, mit einem Handkantenschlag Leben auszulöschen, und sein Frust sprechen dafür. Doch mit seinem Auftraggeber kann Berndorf sich nicht mehr unterhalten, da dieser am Ulmer Hauptbahnhof vor einen Zug gestoßen wurde (an Selbstmord glaubt niemand ernstlich), weshalb es fortan einen zweiten Fall gibt. Berndorf tut sich rasch mit Eisholms Kollegin Elaine Drautz zusammen, mehr, als er wohl selbst erwartet hatte (was er am Ende des Romans Barbara gegenüber auch nicht meint mitteilen zu müssen). Zwei Dinge stören das neue Team: Die Ermordete hatte kurz zuvor noch Geschlechtsverkehr, allerdings nicht mit ihrem Mann. Mit wem also? Und sie trug ein nun verschwundenes Schmuckstück, dessen Herkunft und Verbleib geklärt werden müssen.

Und so machen sie sich auf die Suche, der alte Spürhund und die energische Anwältin, finden Pressefotos, fahren nach Pforzheim in ein Schmuckmuseum und stoßen auf einen Nebenjob der Toten, der zu einem großen Energieunternehmen führt und dessen Aufsichtsrat, einem ranghohen Politiker. Parallel zu diesem Handlungsstrang zeigt uns Ulrich Ritzel die Bemühungen der Ulmer Kriminalpolizei, lässt den Nach-Nachfolger Berndorfs schlecht aussehen, rückt den lange Zeit als glücklosen Handlanger dargestellten Kriminalkommissar Markus Kuttler in ein besseres Licht, und baut eine weitere interessante Verdachtslinie auf, in welcher plötzlich der Vorsitzende Richter Veesendonk steht, dessen Telefonnummer im wieder aufgetauchten Handy der Toten verzeichnet ist.

Das alles ist sehr komplex, der Verlag hätte gut daran getan, wie in früheren Ritzel-Krimis ein Personenregister beizufügen, zumal man es auch in diesem wieder mit vielen Schauplätzen zu tun hat. Die jahrzehntelange Arbeit bei Gericht und in der Redaktion haben ihren Teil dazu beigetragen, dass Ritzel derart präzise und nachvollziehbar, trotzdem immer spannend und Optionen offen haltend, diesen anspruchsvollen Krimi zu einem sowohl unterhaltenden, als auch kritischen Kommentar zur Lage des Landes gemacht hat. Und im Gegensatz zu früheren Büchern ist er lockerer geworden, es gibt richtiggehend „Stellen“ in „Beifang“ – eine Veränderung, die der großen Leserschaft Ritzels gefallen wird. Einzig seine manchmal etwas altfränkisch anmutenden Formulierungen, wie „das Wasser abschlagen“ oder der „Wagenschlag“ wirken bisweilen fehl am Platz, Alter von Autor und Held hin oder her. Dass Ulrich Ritzel die Eingangsszene aus dem Zweiten Weltkrieg exakt und dramaturgisch souverän auflöst, erwartet man von ihm – bestechend ist es trotzdem.

Und so ist ihm wieder ein Krimi gelungen, der Altes und Neues großartig verbindet, der uns tiefe Einblicke in Filz und Gesellschaft gewährt und der, nach „Schwemmholz“ und „Der Hund des Propheten“, erneut preiswürdig ist.

Titelbild

Ulrich Ritzel: Beifang. Roman.
Goldmann Verlag, München 2009.
464 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783442751815

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch