Amateure!

Wie David Ignatius den Thriller zum langweiligen Possenspiel herunterkommen lässt

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Der Reiz des Thrillers bestand nie notwendig darin, dass er die Konfrontation von Ost und West zur Basis hatte, auch wenn er seitdem sichtlich am Stock geht. Es ist mehr die daraus entstehende Gemengelage, auf dies es ankommt, die Idee von den Akteuren und Drahtziehern im Hintergrund, die das eigentliche Geschehen kontrollieren, die sich aber zugleich in einem ewigen Zweikampf der Systeme ineinander verbissen haben, sich gegenseitig bis auf den Tod bekämpfend, dabei jedoch – quasi auf der Spionage-Sacharbeiter-Ebene – sich gegenseitig respektierend.

In den Zeiten der post-histoire schauen die Protagonisten auf diese gute alte Zeit zurück, in der sich auch die Spione und Agenten noch zu benehmen wussten und ihren Reiz nicht daraus bezogen, dass sie jederzeit in der Lage waren, ihre Widersacher niederzustrecken. Ganz im Gegenteil, James Bond war eigentlich die ganze Zeit auf der Flucht, zugegeben nachdem er zuvor dem Bösewicht, der Gegenmacht, Dr. No, dem KGB oder Nr. 1 zu nahe gekommen war. Kinder spielen so Fangen – und Spione auch.

Heute stattdessen die allwissenden Agenten? Die Agentur, die überall hinblickt und hinkommt? Eine Institution, die alles weiß und alles versteht? Ein System, in dem die anthropologischen Wunschträume, von denen Ernst Bloch so wunderbar erzählen konnte, wahr geworden sind, in denen Menschen fliegen und alles überleben können? Nennen wir eine solche Einrichtung CIA oder MI5, egal, in jedem Fall ist die Mystifizierung der Spionage nach dem Ende des Kalten Krieges weiter vorangetrieben worden, als fiktionales Genre sicherlich. Aber das wäre nicht das erste Mal, dass die Fiktion der Realität vorgibt, wie sie sich zu geben hat.

Dass es einen Kalten Krieg gegeben hat, nehmen wir einmal an, dass es in diesem Zusammenhang Spione gegeben hat, gleichfalls, dass sie gegebenenfalls dafür verantwortlich sind, dass das eine oder andere nicht korrekt auf der Welt abgelaufen ist, können wir immerhin vermuten. David Ignatius scheint sich zur Aufgabe gemacht zu haben, uns beizubringen, wie das denn alles so abgelaufen ist.

Das Ganze lässt er Ende der 1970er-Jahre spielen, zu Zeiten, in denen das Schahregime von den Mullahs vertrieben wurde, was damals noch zu Hoffnungen Anlass gab, denn der Schah war zwar für seine Westfreundlichkeit bekannt, aber nicht dafür, ein menschenrechtsfreundliches Regiment betrieben zu haben.

Basis des Plots ist die Überlegung, dass nach 1980 die Krisenregion um Iran, Irak, Afghanistan und andere muslimisch geprägte Staaten entstanden ist, was uns heute die größten Sorgen macht. Allein die aufeinanderfolgenden Interventionen der USA und der UdSSR in Afghanistan und die Entstehung von Al Quaida gehören zu dieser Entwicklung.

Ignatius erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die von ihrem wissenschaftlichen Studium gelangweilt einer Tante nachstrebt, die – als Frau damals selten – beim CIA Karriere gemacht hat. Anna Barnes stößt nach einem kurzen Engagement in London zur Truppe eines gewissen Edward Stone, der zu den Alten der CIA gehört, zu den harten Jungs, die noch die guten alten Zeiten erlebt haben, als Agententätigkeit noch Agententätigkeit war und nicht in diplomatischen Rücksichten erstickt wurde. Stone weiß von diesen Zeiten zu erzählen.

Allen internen Säuberungen entkommen, hat sich Stone in eine Nische der Agentur zurückgezogen, von wo aus er das Feld beobachtet und beginnt, seine Fäden zu ziehen, ein Netz von Agenten aufzubauen, mit denen er seine eigene Politik betreiben kann. Deren Ziel ist eine Destabilisierung der Sowjetunion (hat ja großartig geklappt, wenn man das einstreuen darf). Der Weg dorthin geht über ein Netzwerk von Scheinaktivitäten, die den Sowjets die Gewissheit vermitteln sollen, dass gegen sie eine große Aktion der CIA im Gange ist. Benutzt werden soll dabei angeblich der muslimische Widerstand gegen das Sowjetregime etwa in Armenien und Turkestan. Stones, Barnes und die weiteren dazugestoßenen Agenten machen sich also an ihre Arbeit, schmuggeln Flugblätter, Tonbänder und Sprengstoff in die Sowjetunion, und alles macht sich ganz gut.

Wenn denn nicht die ganze Zeit die Gewissheit präsent wäre, dass man es hier mit einem Haufen gewissenloser Hasardeure zu tun hat, deren Aktivitäten hart am Rande des Dilettantismus anzusiedeln sind. Abenteurer, die sich einen feuchten Kehricht um die Folgen ihrer Aktionen scheren, die sich gegenseitig misstrauen und nötigenfalls – wie am Ende Stone bei Barnes – ans Messer liefern, um das eigene Überleben zu sichern.

Die Aktionen selbst sind vage geplant, unsicher und waghalsig. Die Beteiligten riskieren ihren Hals und die Gutgläubigen unter ihnen sind nichts anderes als dämlich. Dass das Ganze angeblich von CIA-Agenten als realistisch eingeschätzt wird, macht es nur noch schlimmer. Wenn Agentenarbeit so aussieht (während das langweilige Geschäft der Informationsbeschaffung als Arbeit für Ärmelschoner denunziert wird), dann gute Nacht, liebe Welt. Kein Wunder – wenn es stimmt –, dass die Geheimdienste der USA die Einschläge, die immer näher gekommen sind, nicht mitbekommen haben.

Geradezu peinlich wird das Ganze, als die Mentorin zum Schluss der Geschichte die aus der sowjetischen Haft ausgetauschte Barnes, die ihren Abschied genommen hat, wieder zurück in die Agentur holt. Sie sei dort eine Art Heldin und werde bewundert. Außerdem brauche die Agentur Agentinnen wie sie, die für das Gute in der Welt – und zwar in der CIA – kämpften. Das mag zwar sein, aber als Krimileser bräuchten wir auch dringend Schreiber, die für das Gute im Krimi stehen, vulgo eben auch gute Thriller schreiben. Dieser ist keiner.

Titelbild

David Ignatius: Das Netzwerk. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Tanja Handels und Thomas Merk.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009.
667 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783499249082

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch