Der Körper lügt nie

David Shields Betrachtungen über das Leben und den Tod

Von Heike GeilenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Geilen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Glück ist „in“ – als Thema. Wer will nicht gerne glücklich sein? Zahlreiche Glücksratgeber wollen dabei helfen. Das in Amerika zum Bestseller avancierte und vom The Boston Globe als „Juwel von einem Buch“ bezeichnete Werk David Shields verkündet im Untertitel gleichfalls „Eine Art Anleitung zum Glücklichsein“. Der Titel „Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist“ reiht sich allerdings nicht in die Riege der Glückstagebücher eines Eckart von Hirschhausens ein. Wenn man dem Klappentext Glauben schenkt, verspricht die Lektüre ein melancholisch-humorvolles Nachdenken über die Frage, was der Tod für das Leben bedeutet und darüber, was unser Leben lebenswerter macht. Dazu können ohne Zweifel auch gute Bücher gehören. Doch leider, das vorweg, vermag Shields Lesestoff dieses Gefühl keineswegs zu erzeugen.

Der Dozent für Kreatives Schreiben an der University of Washington hat einen ganz eigenen Blick auf das Leben geworfen. „Unsere Geburt ist nichts als der Beginn unseres Todes“, fasst er bereits zu Beginn zusammen, um ein paar Zeilen später ein Zitat Schopenhauers einzuflechten, wonach es „offenbar sei“, „dass wie bekanntlich unser Gehen nur ein stets gehemmtes Fallen ist, das Leben unseres Leibes nur ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod ist.“ Überhaupt fließen von Zeit zu Zeit jede Menge kluger Sprüche, von ebensolchen klugen Personen ein (unter anderem Charles de Gaulle, Properz, Sigmung Freud, Victor Hugo, Jean-Jaques Rousseau), doch David Shields stellt sie meist ohne irgendeine Wertung ein. Kommentare verweigert er kategorisch.

Dazwischen vermittelt er beginnend von Säuglingsalter und Kindheit, der Adoleszenz, dem Erwachsenen– bis hin zum hohen Alter und dem Tod jede Menge Statistiken und biologische Fakten über das Altern. „Der Körper in seinen Entwicklungsstadien – von den Windeln bis zum Sarg – kann uns alles erzählen, was wir je über andere Dinge erfahren können“, meint der Autor. Der Leser erfährt zum Beispiel, dass Testosteron zum Wachstumsschub führt, den Kehlkopf vergrößert und die Zahl der roten Blutkörperchen, die Muskelmasse und die Libido steigert oder dass sich bei Frauen im Alter von zwanzig bis vierzig Jahren die vaginale Lubrikation fünfzehn bis dreißig Sekunden nach der sexuellen Erregung einstellt.

Aber warum präsentiert Shield diese Themen so unglaublich langweilig? Beinahe schulmeisterhaft, endlos und nüchtern aneinandergereiht verknüpft er naturwissenschaftliche Aufzählungen mit autobiografischen Essays, zum einen über seinen immer noch agilen 97-jährigen, hochskurrilen Vater Milton, zum anderen über seine doch nicht zum Tragen gekommene Basketballkarriere. Kommen die Erzählungen über seinen Vater durchaus den angekündigten humorvoll-melancholischen Betrachtungen recht nahe, so stehen die Abschnitte über die in den USA wohl deutlich beliebtere Sportart völlig losgelöst und ohne jeden Zusammenhang im Raum. Sie sollen wohl den trögen naturwissenschaftlichen Diskurs etwas auflockern, sorgen jedoch für mehr Verwirrung, als dass sie ein verbindendes Element wären.

Letztendlich schlägt man das Buch zu und stellt sich die Frage: „Was wollte uns der Autor eigentlich sagen?“ Das Dumme an diesem Buch ist, dass man sich trotzdem hindurchgequält hat und kein nennenswerter Erkenntnisgewinn, nicht einmal Lesefreude zu verzeichnen war. „Das Leben ist einfach, tragisch und schön“, schreibt Shields. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man dies Buch jedenfalls nicht gelesen haben. Und glücklich wird man mit dieser Lektüre auch nicht. Aber es gibt wohlweislich noch jede Menge lohnenswerte Literatur.

Titelbild

David Shields: Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist. Eine Art Anleitung zum Glücklichsein.
Übersetzt aus dem Englischen von Christoph Gutknecht.
Verlag C.H.Beck, München 2009.
256 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783406592850

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