Mit Gurkentruppe durch Namibia

Tommy Jaud nimmt in „Hummeldumm“ den Gruppenreisen-Tourismus aufs Korn

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einfach mal abschalten und den stressigen Alltag hinter sich lassen. Im Urlaub stehen Entspannung und Kräfte tanken im Vordergrund. So sieht jedenfalls die Theorie aus. Dass eine Rundreise durch Namibia auch nervenaufreibend und anstrengend sein kann, bekommt Matze Klein, der Protagonist in Tommy Jauds neuem Roman „Hummeldumm“ am eigenen Leibe zu spüren.

Matzes Freundin Sina hat eine zweiwöchige Rundreise durch Namibia gebucht – in einer Reisegruppe mit sieben weiteren Teilnehmern. Die hat sich Sina allerdings nicht aussuchen können. Schon am Startpunkt in Windhoek fällt Matze sein ernüchterndes Urteil: Zwei Wochen lang unterwegs mit einem Kleinbus voller Bekloppter – womit habe er das nur verdient? Schon bald blinkt ein passender Grund auf Matzes I-Phone: Er hat vor dem Urlaub vergessen, den Reservierungsbetrag für die neue Eigentumswohnung zu überweisen. Eine nachträgliche Überweisung wäre kein Problem, wenn Matze nicht der wichtige Reiseadapter fehlen würde, den er fürs Laden seines Handys und Notebooks dringend benötigt. Und um Sina nicht zu beunruhigen, verschweigt er ihr die ganze Sache, erfindet stattdessen immer haarsträubendere Ausreden und schliddert von einem Missgeschick ins nächste. Und alles endet mit einem handfesten Streit zwischen Matze und seiner Freundin.

Auch die Stimmung innerhalb der Gruppe wird zusehends schlechter. Die vom Beziehungs- und Ehestress geplagten Männer rotten sich zusammen und ertränken ihren Frust in Alkohol. Was die Situation natürlich nicht besser macht und für zusätzliche Querelen sorgt. Erst als Tourguide Bahee seine Reisegruppe am Kuiseb-Canyon zurücklässt und sie auf sich alleine gestellt sind, erkennen sie, dass sie alle aufeinander angewiesen sind.

Nach „Vollidiot“, „Millionär“ und „Resturlaub“ widmet sich Erfolgsautor Tommy Jaud dem Reisegruppen-Wahnsinn. Im Vordergrund des Trips stehen nicht Namibia und seine Bevölkerung, sondern Matze Klein und die Reisegruppe. Neu ist das Thema, altbewährt das Muster: Ein trotteliger Tollpatsch sucht unter noch trotteligeren Individuen sein eigenes Glück. Ein typischer Jaud eben.

Die Idee für „Hummeldumm“ kam ihm während einer solchen Rundreise durch Namibia: „Schon nach einem Kilometer im Bus wusste ich: Entweder du schlägst die Scheibe ein und rennst zurück zum Flughafen oder du holst dein Notizbuch raus, schreibst alles auf und machst einen Roman draus“, erklärt Jaud im Interview.

Daraus resultiert auch die Erkenntnis, dass „Gruppenreisen wie Lottospielen“ ist: Entweder es passt oder nicht. Bei Jaud war letzteres der Fall, seine Erfahrungen hat er in seinem neuen Roman verarbeitet, und das zeigt sich schon bei den authentischen Beschreibungen seiner Protagonisten. Die unterschiedlichen Figuren bestätigen die gängigen Klischees: Der kauzige Franke, ein luxusverwöhntes Pärchen aus Düsseldorf und das ständig mäkelnde Ehepaar aus Österreich. Die ureigenen Dialekte sind präsent sowohl in Wort als auch Schrift. Der auf einer realen Person basierende Reiseleiter Bahee sticht mit seinem schrägen Deutsch besonders hervor und ist der Sympathieträger des gesamten Romans. Tommy Jaud beweist hier eine gute Beobachtungsgabe. Maßvoll überspitzt er die Figuren und sorgt durch deren Wiedererkennungswert für Lacher.

„Hummeldumm“ ist, wie schon seine Vorgänger, ein Comedy-Roman, der Untertitel „Das Roman, ne“ deutet bereits an, was den Leser erwartet: seitenweise Gags und witzige Sprüche. Das grellorange gestaltete Cover mit Wanderschuhen und Erdmännchen Carlos, im Roman mit einer tragischen Nebenrolle versehen, macht auch visuell deutlich, dass Humor und Unterhaltung im Vordergrund stehen.

„Meine Bücher sind Fernsehen zum Lesen“, bekennt Jaud in einem Interview. Deswegen hat der Leser in „Hummeldumm“ die Szenen immer bildhaft vor Augen, in den Dialogen geht es derb und manchmal wenig niveauvoll zu, gleiches gilt für die Mitglieder der Reisegruppe.

Jaud führt seinen Leser durch die Handlung, so dass dieser mühelos den Überblick über das Geschehen behält und gespannt auf die nächsten Eskapaden der Protagonisten weiterliest – auch wenn diese vorhersehbar sind.

Matzes verzweifelte Suche nach einem Stromadapter oder die kläglichen Versuche die Überweisung der Reservierungsgebühr zu tätigen, werden zum Running-Gag des Romans. Als Matze schließlich auf Seite 130 die Onlineüberweisung gelingt, atmet der Leser erleichtert auf – nur um zwei Kapitel später zu erfahren, dass Matze den falschen Betrag überwiesen hat. Und da er weder Sina noch seiner Reisegruppe die Karten auf den Tisch legt, verstrickt er sich weiter in Lügen und schlechten Ausreden. Dies alles gipfelt darin, dass Matze bei Frau Gruber einbricht und den ersehnten Reiseadapter stielt. Als Dankeschön kackt Matze ihr in den Rucksack – das hat er sich von den Affen abgeschaut, die als Einbrecher die Ferienhüten nach Bonbons durchsuchen.

Aber ist das alles wirklich witzig? Tommy Jauds Humor polarisiert. Entweder man mag ihn oder nicht. Doch dem gebürtigen Schweinfurter vorzuwerfen, mit abgedroschenen und flachen Witzen die Bestsellerlisten zu erobern, ist nicht gerechtfertigt. „Hummeldumm“ ist Unterhaltungsliteratur, ideal als Urlaubslektüre und für Freunde des derben Humors. Seine Bücher richten sich an Leser, die „einfach nur mal Spaß haben“ wollen, gibt Jaud zu. Und Spaß gibt es zuhauf, wenn etwa das Warzenschwein Otti zur Wahlschweizerin Trixi ins Bett steigt und dort für Unruhe sorgt oder Matzes vergebliche Versuche, seine geistige Überlegenheit über die „Gurkentruppe“ zu demonstrieren.

„Hummeldumm“ ist flüssig und unterhaltend geschrieben, Tommy Jaud spielt mit Klischees und zeigt die Schwächen seiner Mitmenschen. Die Protagonisten sind authentisch und so herrlich schräg, dass man sich wünscht, ihnen im wahren Leben nie zu begegnen. Tommy Jaud-Fans und Leser, die seichte Unterhaltung suchen, kommen mit „Hummeldumm. Das Roman, ne“ auf ihre Kosten.

Titelbild

Tommy Jaud: Hummeldumm. Das Roman, ne.
Scherz Verlag, Frankfurt a. M. 2010.
303 Seiten, 13,95 EUR.
ISBN-13: 9783502110378

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