Auch eine Art von Spannung

Drohende Pleite-Uni Marburg: Ein bildungspolitischer Protestruf zur Mai-Ausgabe von literaturkritik.de

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Wenn das nicht „spannend“ klingt: „Hessens staatliche Hochschulen und private Bildungseinrichtungen bieten moderne, attraktive und innovative Studienangebote. Hier findet jeder das passende Studienfach“, triumphiert das „Landesportal Hessen“, auf dessen Startseite der Ministerpräsident Roland Koch (CDU) seinen Lesern ein herzliches Willkommen wünscht.

„Hessen ist ein Land der Bildung und Forschung“, heißt es auf der potthässlichen Website weiter: „Es ist für Studieninteressierte, Lehrende und Forscher aus dem In- und Ausland gleichermaßen attraktiv. Denn Hessens Hochschulen stehen für erstklassige Forschung und Lehre.“

Sind Sie jetzt eingeschlafen? Ist schon klar: Befreit lachen können über solche dreisten Fehlinformationen wohl nur diejenigen, die über den nötigen Galgenhumor verfügen. Denn man sollte wissen, dass Besucher der hessischen Philipps-Universität Marburg, an der zufällig auch die Redaktion von literaturkritik.de arbeitet, allein schon aufgrund flüchtiger Einblicke in die Räumlichkeiten regelmäßig entsetzt ausrufen, bei uns sähe es ja aus „wie im Knast“.

Etwas „spannender“ als das leere Marketinggerede, mit dem sich Hessens Landesregierung online präsentiert, ist zum Beispiel die Frage, wie diese formelhaften Behauptungen denn nun mit der neuesten Nachricht zusammengehen. Die besagt nämlich, dass die Landesregierung der Philipps-Universität gewissermaßen über Nacht einen Etat von 34 Millionen Euro gestrichen hat – und zwar nachdem diese Gelder der Uni noch kurz zuvor bei einer Hochschulleitertagung in Aussicht gestellt worden waren. Mit anderen Worten: Die Selbstdarstellung Hessens als ‚modernes Bildungsland‘ ist langsam nur noch ein schlechter Witz.

Wie das Ganze nun weitergehen soll – das ist jene Sorte „spannender“ Fragen, die die Redaktion von literaturkritik.de eigentlich weniger im Sinn hatte, als sie sich entschied, ausgerechnet dem Thema „Spannung“ einen Themenschwerpunkt in ihrer Mai-Ausgabe zu widmen. Darin geht es tatsächlich auch um ganz andere Fragen – beispielsweise die, was die Elektrizität seit ihrer Entdeckung um 1800 mit der Literatur zu tun hatte, und umgekehrt. Vielleicht sogar noch exotischer erschien uns die Idee, einen der „langweiligsten“ Romane der Literaturgeschichte, Adalbert Stifters „Der Nachsommer. Eine Erzählung“ (1857) als „spannendes“ Buch vorzustellen. Wer Suspense bisher nur in Krimis gesucht hat, die sowieso zum Thema passen, kann sich in der vorliegenden Ausgabe also auch in diesem Punkt eines Besseren belehren lassen.

Anregende Lektüren wünscht
Ihr
Jan Süselbeck