Serienmord und Medienbruch

Thriller versus digitale Animationen über Anthony E. Zuikers „Level 26 – Dark Origins“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Neue Genres entstehen nur langsam. Paradigmenwechsel in den Medien werden meistens mit dem negativ konnotierten Begriff des „Medienbruchs“ bezeichnet. Im Bereich der Literatur und Literaturwissenschaft ist der Wechsel auf andere Medien und Formate hingegen nicht so häufig. Daher sei schon aus „formalen Gründen“ dem Roman von Anthony E. Zuiker ein wenig mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Seine Bezeichnung „Digi-Novel“ beschreibt treffend diese medienübergreifende Form des Romans. Nach den ersten drei Kapiteln kann der Leser einfach weiter lesen – wie üblich – oder er kann sich einen kleinen Filmclip ansehen, der an das Ende des vorhergehenden Textabschnitts anknüpft. Man wechselt auf die Webseite www.level26.com und kann dort mit dem im Buch enthaltenen Freischaltcode die erste Miniepisode zum Buch abrufen. Gleich mit dem ersten Clip, der mit dem Kennwort „snuff“ gestartet werden kann, wird der Leser in die grauenhafte Welt eines seit dreißig Jahren „praktizierenden“ Serienmörders eingeführt.

Die Protagonisten des Thrillers sind der altgediente Ermittler Riggins, Mitglied einer in den USA auf die Verfolgung von Serientätern konzentrierten Spezialeinheit – den Special Circs –, und Steve Dark, ein ehemaliger Ermittler, der mit Burnoutsyndrom Mitte dreißig im Ruhestand lebt. Riggins reaktiviert Dark, um den Serienmörder zu jagen, an dem Dark schon einmal gescheitert ist und der seine gesamte Familie getötet hat. Hintergrund dafür ist die Einteilung von Mördern und Serientätern in fünfundzwanzig Kategorien. Je schlimmer die Morde, je brutaler die Vorgehensweise des Täters, desto höher ist die Kategorie. Für den absonderlichen Serientäter hat man aufgrund der bekannten Morde die Kategorie sechsundzwanzig eingeführt. Sein Vorgehen wird von vorausschauender Planung, genauer Vorbereitung und undurchschaubaren Plänen bestimmt. In über dreißig Jahren hat er niemals eine Spur oder auch nur einen Hinweis hinterlassen.

Zu den spannendsten und gleichzeitig schaurigsten Teilen des Romans gehören die Kapitel, die aus der Perspektive des Serientäters Sqweegel – genannt nach dem Laut eines Kleinkindes, das den Mord an seiner Mutter beobachten musste und nur noch die Lautfolge „Sqweegel“ ausstoßen konnte, um den Täter zu beschreiben – geschildert werden. Seine seltsame Art sich fortzubewegen – wie ein Gummimensch –, sein weißer Latexanzug, der den ganzen Körper bedeckt und seine eigenartigen Wahrnehmungsgewohnheiten erzeugen beim Leser ein unangenehm körperliches Gefühl von Grauen und Schrecken.

Zuiker ist Meister dieses Genres, ist er doch der Schöpfer und Erfinder der CSI-Fernsehserie und beherrscht das Geschäft mit leichter Hand. Die Einbeziehung von Filmsequenzen in die Lektüre ist zunächst ungewohnt, legen diese doch die Fantasie des Lesers auf bestimmte Bilder von Personen, Orte und Handlungsabläufe fest – und unterbrechen den Lesefluss durch das Aufsuchen des PCs oder Laptops, die für das Ansehen der Filmsequenzen benötigt werden. Aber spätestens nach drei oder vier Clips wartet man auf den nächsten Freischaltcode und den nächsten Filmschnipsel. Ein eigenartiges Wechselspiel zwischen Text und Film entsteht und es fügt sich ein „Film im Kopf“ zu einer spannenden Folge von Bildern, die an die rasante Schnitttechnik in der zeitgenössichen Film- und Videoästhetik erinnern. Sicherlich ist die Mischform von Buch und Film für den „normalen“ Leser von Thrillern ungewöhnlich, aber die Spannung und die mediale Erweiterung des Buches üben einen nicht unerheblichen Reiz bei der Lektüre aus. Wie sich diese Form des Buches weiterentwickeln wird, darauf darf man gespannt sein – sind doch die Aufwendungen für diese Form der Produktion eines Buches mit erheblichen Kosten verbunden. Wohin immer auch diese Entwicklung gehen mag: man kann schon jetzt sagen, dass „Level 26“ zu den qualitativ hochwertigen Erzeugnissen dieses Mischgenres zählt.

Titelbild

Anthony E. Zuiker: Level 26. dark origins Thriller.
Übersetzt von Axel Merz.
Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2009.
428 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783785760277

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