Wie ein Killer entsteht

Adrian McKinty hat einen wahrlich waghalsigen Helden kreiert

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Belfast, Anfang der 1990er-Jahre. Keine gute Zeit für einen jungen Nordiren, der es auf der Schule nicht geschafft hat, der aus der britischen Armee unehrenhaft entlassen wurde und der auch noch beim einzigen Mal, dass er schwarz arbeitet, erwischt wird. Nun ist auch noch die Stütze weg. Was tun?

Wozu gibt es die Verwandtschaft im reichen Amerika, wenn nicht dafür, einem nutzlosen jungen Mann auf die Beine zu helfen und ihn in Lohn und Brot zu bringen. Auch wenn es sich dabei um schmutzige Jobs handelt.

So fliegt der 19-jährige Michael Forsythe nach New York und macht sich als Handlanger eines vor allem unter Iren wirkenden kleinen lokalen Bandenchefs (vulgo: Mafia) nützlich. Hier mal eine grimmige Miene aufsetzen, da mal Schläge androhen, dort sie auch mal verteilen. Und wenn es nötig ist, auch mal mehr.

Michael macht sich schnell einen Namen unter seinen zwar arg unterbelichteten, aber zugleich fast schon liebenswürdigen Kleinganovenkollegen, weil er auch in akuten Notsituationen die Nerven behält. So zum Beispiel, als er einen vorgeblichen Anschlag auf einen der Kollegen rächen soll und das Ganze nicht in ein Desaster ausarten lässt. Oder aber, als er und seine Kollegen in einen Hinterhalt geraten und es Michael zu verdanken ist, dass sie fast ohne Kratzer aus der Schießerei heraus kommen.

Keine Frage, Michael könnte eine große Karriere im Betrieb seines Chefs namens Darkey White machen, denn Intelligenz und Kaltschnäuzigkeit sind selten in seiner Peergroup. Aber leider, hat er ein Auge auf die junge Geliebte des Chefs geworfen und fängt sogar ein Verhältnis mit ihr an.

Das kann nicht gut gehen, – und das geht auch nicht gut. Aber statt der gängigen Lösung – Gangsterboss lässt den allzu vorwitzigen Neuankömmling umlegen – wartet McKinty mit einer aufwändigen Variante solcher Strafaktionen auf.

Michael und Genossen werden nach Mexiko geschickt und dort während eines Drogendeals gefasst. Die mexikanische Polizei wirft sie in ein Dreckloch von Gefängnis, und nun geht es darum, wie es Michael schafft, sich trotz allem Genugtuung zu verschaffen.

Die bekommt er am Ende und überlebt sie sogar, auch wenn aus dem schniecken jungen Mann am Ende ein rachsüchtiger, aber kompetenter Killer geworden ist.

McKinty erzählt diesen kriminellen Bildungsroman in einem rasanten, immer dicht an der Sprechweise und den Kompetenzen seiner Figuren orientierten Sprache. Das ist schnoddrig, vulgär und – könnte man es hören – auch laut. Vor allem aber ist McKintys Krimi ungemein variationsreich und trotz seines Umfangs von mehr als 450 Druckseiten, und obwohl er eine Menge aus dem Leben seines Helden erzählt, präzise in der Anlage und Durchführung seiner Erzählung. Nichts wirkt überflüssig, nichts bedient einfach nur die Neugierde seiner Leser und hat keine Funktion für den Fortgang der Handlung. Er ist fokussiert auf die Entwicklung seiner Figur, die als einigermaßen ahnungsloser und heruntergekommener junger Mann, ohne große Ambitionen und Chancen startet, um am Ende Rache an seinen Feinden zu üben.

Das ist schnell erzählt, imaginiert einigermaßen konsistent eine tatsächliche Bericht- oder Erzählsituation und liest sich überaus unterhaltsam.

Zugute kommt McKintys Krimi, dass er zwar an die Traditionen und Konventionen des Mafiakrimis und des amerikanisch-irischen Polizeiromans anschließt, sie aber mit einigen neuen attraktiven Elementen versieht. Dazu gehört die Figur des Protagonisten, die in jedem Fall interessant angelegt ist, ebenso wie der Gang der Geschichte selbst, die ihn eine Zeitlang in ein Gefängnis im Süden von Mexiko verschlägt, aus dem er nur mit Mühe entkommt. Die irischen Gangster verhalten sich, wie sich Gangster eben verhalten, wobei es immer wieder mal zu slapstickartigen Einlagen kommt, wenn sich die jungen Männer unterhalten. Die Situationen, in denen es wirklich hart auf hart geht und in denen eine Menge Blut fließt, lassen sie keineswegs kühl und gelassen aussehen. Sie sind feige, verängstigt, gestresst und überhaupt nicht gangsterhaft. Sind halt auch nur Menschen, irisch-amerikanische Kleinkriminelle.

Nur Michael hebt sich von ihnen ab, und je länger die Geschichte wird, desto mehr. Und vielleicht ist das das einzige Manko des Textes: Mc Kinty macht aus einem jungen, eigentlich in allem gescheiterten Mann allzu schnell und umstandslos einen umfassend ausgebildetenKiller, der mit einem Mal sehr viele Kompetenzen hat, die auf seine Militärausbildung zurückgehen (die er aber eigentlich nur bruchstückhaft absolviert hat). Trotz des Handicaps, das er am Ende aufweist, ist Michaels Können schließlich doch ein wenig zu groß, trotz seiner Krisen ist er zu überlegt. Aus dem Jungen wird zu schnell ein echter Held.

Titelbild

Adrian McKinty: Der sichere Tod. Roman.
Übersetzt von Kirsten Riesselmann.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010.
463 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461594

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