Dem Fetisch auf der Spur

Dennis DiClaudio beschreibt in seinem Kompendium „Der kleine Erotiker“ kuriose wie zügellose sexuelle Vorlieben

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer bisher glaubte, sein Sexleben sei ungehemmt, raffiniert und grenzenlos lasterhaft, sollte diese Lektüre meiden – um nicht von sich enttäuscht zu sein. Denn Dennis DiClaudio beschreibt in seinem neuesten Werk 42 wollüstige Spielarten und erotische Vorlieben, von denen wahrscheinlich noch nicht einmal das menschliche Unterbewusstsein wusste, dass sie überhaupt existieren.

Von Bondage, Kastrations- oder Schuhfetischismus hat man schon irgendwo gehört oder gelesen, Darkryphilie, Forniphilie oder Androidismus hingegen wecken unsere Neugier. Ein Blick in DiClaudios Lexikon der unzüchtigen Vergnügungen verrät uns etwa Folgendes: Der Darkryphile findet es anregend zuzusehen, wenn der Partner in Tränen ausbricht. Allerdings ist dabei Träne nicht gleich Träne: Während Darkryphile es stimuliert, wenn der Partner gedemütigt und lächerlich gemacht wird, lassen ihn Freudentränen kalt.

Die Forniphilie ist die Liebe zum Lebendmöbel. Bei diesem Rollenspiel übernimmt der Partner die Rolle eines Möbelstücks wie z. B. einem Stuhl oder Tisch. Es ist eine Extremvariante des SM(Sadomasochismus); der zum Möbel umfunktionierte Partner signalisiert seine Unterwürfigkeit und lässt sich einfach benutzen – wie jeder andere Einrichtungsgegenstand auch.

Ebenfalls im Kern eine Variante des SM, jedoch nicht ganz so extrem, ist der Androidismus: das Verlangen, mit einer gefühllosen Maschine oder einem Automaten zu kopulieren. Wie auch bei der Forniphilie gibt es einen passiven (der Roboter oder Automat) und einen aktiven Partner (der Konstrukteur oder Programmierer) – mit dem Unterschied, dass dem passiven Partner jegliche Automatengeräusche wie Piepsen oder Fehlermeldungen wie „System überlastet!“ erlaubt sind.

In DiClaudios Kompendium finden sich aber auch noch weitere bizarre Beispiele. Die einzelnen Einträge schildern nicht nur die Wunschträume, die mit dem jeweiligen Fetisch verbunden sind, sondern erklären auch ihre psychischen Ursprünge. Auch wird nützliches Zubehör aufgelistet und dargelegt, was beim Praktizieren der Vorlieben zu bedenken ist. Illustriert ist „Der kleine Erotiker“ mit klassischen medizinischen Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert. Doch wer ein medizinisches Nachschlagewerk erwartet, wird hier keine geeignete Quelle finden. Der Verfasser von „Der kleine Neurotiker“ stellt im Vorwort klar, dass dem Leser ein humoristisches Werk vorliegt, welches nicht zu medizinischen Zwecken genutzt werden soll – obwohl die beschriebenen Fetische sowie alle Fakten dazu echt sind.

Den Inhalt vermittelt DiClaudio angemessen leger und unkompliziert, und wie schon bei den Vorgängern mit einer großen Portion schwarzem Humor. „Der kleine Erotiker“ ist ein unterhaltsames und skurriles Nachschlagewerk über die Abgründe der menschlichen Libido und zeigt, dass der Fantasie bei der schönsten Nebensache der Welt keine Grenzen gesetzt sind. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere Leser nach der Lektüre ja inspiriert, sein Sexleben aufzupeppen. Und was die Frauen betrifft: Schon allein die Anschaffung des Zubehörs für den Retifismus dürfte ihnen Tränen der Verzückung in die Augen treiben: Pumps, Stilettos, Stiefel und Slipper.

Titelbild

Dennis DiClaudio: Der kleine Erotiker. Lexikon der unzüchtigen Vergnügungen.
Übersetzt aus dem Amerikanisch-Englischen von Anne Uhlmann.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010.
208 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783421044105

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