Ein dreifach Hoch

Vierzehn skurrile Kurzgeschichten von Kurt Vonnegut

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der Sommer war friedlich im Schlaf gestorben, und der Herbst, der Vollstrecker mit der leisen Stimme, schloss das Leben sicher weg, bis der Frühling kam, um es zurückzuverlangen.“ Kann man eine Jahreszeitwechsel allegorischer, ja skurriler beschreiben? Der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut (1922-2007) ist ein Meister dieses witzigen und exentrischen Tons. Im Zürcher Verlag Kein & Aber sind nun 14 bisher unbekannte Kurzgeschichten aus seinem Nachlass erschienen. Die frühen Texte, exzellent von Harry Rowohlt übersetzt, liegen erstmals in deutscher Sprache vor. Sie stammen aus der Zeit, als Vonnegut noch nicht berühmt war.

Wunderliche Gestalten bevölkern diese Geschichten: Ganoven, Mörder, Erfinder und Sonderlinge. Sie wirken allesamt irgendwie überspannt und wahnwitzig. Gleich in der ersten Geschichte „Confido“ (aus der das Zitat stammt) ist es der Labor-Assistent Henry Bowers, der seit vielen Jahren bei einer Hörgerätefirma arbeitet. Jetzt schmeißt er seinen Job hin, denn er hat ein Kopfhörerteil entwickelt, das dem Träger persönliche Ratschläge ins Ohr flüstert. Natürlich will Henry diesen Zauberapparat selbst vermarkten, schließlich träumt er schon von Milliarden von Dollars.

In der längsten Geschichte „Ed Lubys privater Schlüssel-Klub“ des Sammelbandes gerät das Ehepaar Harve und Claire Elliott aus der Provinz in die Fänge des Gangsters Ed Luby. Der hat sein Steak-Haus zu einem exklusiven Treffpunkt für die High-Society umfunktioniert. Luby hat alle Stadtoberen, vom Bürgermeister bis zum Polizeiobermeister, in der Hand und hängt dem biederen Paar einen Mord an, den er selbst begangen hat.

Ein undurchsichtiger Hypnotiseur ist in „Spiegelkabinett“ der Hauptverdächtige in fünf Mordfällen. Er wird beschuldigt, reiche Witwen zuerst um ihr Geld und dann um ihr Leben gebracht zu haben. Der Arzt versteht jedoch sein Handwerk, immerhin gelingt es ihm, auch die beiden Polizisten, die ihn verhören wollen, hypnotisch außer Kraft zu setzen. In der kürzesten Geschichte „Gleich kommt’s Vögelchen raus“ bekommt schließlich der Ich-Erzähler in einer Bar von einem unbekannten Mordberater das ungewöhnliche Angebot für die sorgenfreie Ermordung eines unliebsamen Mitmenschen.

Jede der vierzehn verrückten und raffinierten Kurzgeschichten ist eine Überraschung und ein kurzweiliges Lesevergnügen, geprägt von Vonneguts ironischem und lakonischem Erzählstil. Storys in bester amerikanischer Tradition: Ein dreifach Hoch auf Kurt Vonnegut und Harry Rowohlt.

Kein Bild

Kurt Vonnegut: Ein dreifach Hoch auf die Milchstrasse. Erzählungen.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2010.
287 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783036991702

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