Klasse Klassikerinnen
María Isabel Peña Agueda und Bettina Schmitz geben einen Sammelband mit Texten von Klassikerinnen des modernen Feminismus heraus
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs dürfte wohl nicht eine einzige wissenschaftliche Disziplin geben, deren Forschende nicht gerne Kongresse abhalten, um sich auszutauschen, Versuchsballons in der Community aufsteigen zu lassen oder gar einen Minenhund übers gefährliche Terrain zu hetzen. Nicht alle dieser Kongresse erweitern den Erkenntnishorizont der Disziplin und der Teilnehmenden. Doch ganz unabhängig davon folgt in aller Regel nach ein, zwei Jahren ein Tagungsband. Dass aus solchen Zusammenkünften auch ertragreiche Bücher hervorgehen können, und es sich bei diesen nicht einmal um die übliche Sammlung überarbeiteter Vorträge handeln muss, zeigte unlängst der von Christine Kanz unter dem Titel „Zerreißproben“ herausgegebene Band über „Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des 18. Und 19. Jahrhunderts“.
Nun liegt ein weiterer, nicht weniger lesenswerter Band vor, dessen Idee aus einem Wissenschaftskongress „erwuchs“, wie seine Herausgeberinnen María Isabel Peña Agueda und Bettina Schmitz formulieren. Es war dies der 2008 in Seoul abgehaltene Kongress der „Internationalen Assoziation von Philosophinnen“, und die Idee bestand darin, einen Band mit Texten von „Klassikerinnen des modernen Feminismus“ vorzulegen. Da es sich um einen Philosophie-Kongress handelt und die Herausgeberinnen zudem auf einem der Vorläuferkongresse (er fand 2000 in Zürich statt) in den Vorstand der Assoziation gewählt worden sind, kann es nicht wundern, dass mit Elisabeth List, Carola Meier-Seethaler, Nagl-Docekal und Brigitte Weisshaupt vier der sechs im vorliegenden Buch vertretenen Klassikerinnen in der philosophischen Disziplin reüssierten. Die anderen beiden – Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz – haben sich als Begründerinnen der deutschsprachigen feministischen Linguistik einen Namen gemacht. Den Ehrentitel Klassikerin dürfen sie daher nicht nur mit Stolz, sondern auch sehr zurecht tragen. Und da Linguistik und Philosophie einander durchaus keine fremden Disziplinen sind, dürften sie sich auch aus diesem zweiten Grunde unter ihren philosophierenden Mitfeministinnen wohl fühlen.
So können die Herausgeberinnen denn auch mit Fug und Recht behaupten, dass die von ihnen zusammengetragenen Texte „eine ganze Epoche der feministischen Theoriebildung im deutschen Sprachraum [prägten]“, wenngleich diese – wie man gerne hinzufügen darf – nicht die einzigen waren. Das wissen natürlich auch Agueda und Schmitz. Daher weisen sie darauf hin, dass andere Autorinnen, „die mit ebenso guten Gründen als Klassikerinnen gelten dürfen“, nicht vertreten sind. Doch bilde der vorliegende Band schließlich auch nur einen „Anfang“. Und – so darf man hinzufügen – einen guten. Und zwar ganz ungeachtet einiger kleiner Schwächen in der Einleitung. So bildet der Band keineswegs „die Anfänge feministischer Theorie im deutschsprachigen Raum“ ab, wie die Herausgeberinnen meinen. Denn diese Anfänge liegen mindestens einmal ein rundes Jahrhundert zurück. Erinnert sei, um nur eine der Klassikerinnen um 1900 zu nennen, an die wunderbare Hedwig Dohm, deren theoretische Leistung von der polemischen Brillanz ihrer Texte keineswegs verdeckt, sondern ganz im Gegenteil hervorgehoben wird.
Zu monieren wäre auch der gelegentlich leicht hagiografischen Zungenschlag der einleitenden Bemerkungen, die sich zuweilen fast wie ein Werbetext lesen. Derlei haben die hier versammelten Klassikerinnen keineswegs nötig. Denn ihre Texte sprechen für sich – und für sie.
Ein Wort noch zum Aufbau des Buches. Jede der sechs Autorinnen ist mit mindestens zwei Aufsätzen vertreten, „mit denen sie sich einen Ruf als Klassikerin des modernen Feminismus erworben hat“. Vorangestellt ist diesen älteren jeweils ein autobiografischer Text, den sie für das vorliegende Buch geschrieben haben. Diese aktuellen Texte stehen den älteren nicht nach.
Ihre Hoffnung, schreiben die Herausgeberinnen, sei, dass der vorliegende Auswahlband dazu motiviere, „weitere Bände mit Klassikerinnen des Feminismus zusammenzustellen.“ Möge sie sich erfüllen. Und tatsächlich ist ja auch bereits der eine oder andere Band mit klassischen Texten des Feminismus auf dem Markt. So etwa der von Ute Gerhard, Petra Pommerenke und Ulla Wischermann herausgegebene Band „Klassikerinnen feministischer Theorie. Grundlagentexte Band 1 (1789-1919)“, der sich zwar, anders als der vorliegende, nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, jedoch sehr wohl einig Texte von feministischen Klassikerinnen deutscher Zunge enthält.
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