Irrlichter, Irrläufer…

Soti Triantafillous New York-Krimi treibt unschlüssig vor sich hin

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Verbrecherszene jener merkwürdigen Stadt an der Ostküste eines nicht minder geheimnisvollen Staats namens USA ist mittlerweile Allgemeingut geworden. Jeder kann über sie verfügen, jeder hat etwas über sie zu erzählen und jeder kennt sich gut genug in ihr aus, um auch noch seinen Beitrag zum vielfältigen Geschichtenmosaik, der mittlerweile von New York-Krimis gebildet wird, beizutragen.

Eigentlich eine Domäne amerikanischer Autoren – von wegen Authentizität und überhaupt – wagen sich anscheinend schon die Zugewanderten ans Thema. So auch die griechische Autorin Soti Triantafillou, deren Ortskenntnis immerhin aus einem Studienaufenthalt in der großen Stadt stammen soll. Bliebe die Frage, ob es nicht reicht, das fiktive, das imaginäre New York zu kennen, um einen neuen Krimi mit Schauplatz eben dort zu platzieren zu können. Immerhin hat es einem Autor wie Boris Vian gereicht, das Genre zu kennen, um gute Krimis zu schreiben.

Dass Triantafillou mehr dem Genre als dem realen Ort verbunden ist, ist schnell erkannt. Die Hauptfigur, die Nebenfiguren, der Fall, der Schauplatz, die Handlung – alles das gehorcht den Regeln des avancierten und coolen Ermittlerromans, der sich vor allem an seiner Hauptfigur abarbeitet.

Die muss verschiedene Eigenschaften aufweisen, damit das Ganze auch funktioniert. In der Regel geschieden oder getrennt, immer der Ehemaligen nachtrauernd, dabei sozial und zivilisatorisch dem Verfall anheim gegeben, von zurückhaltendem Elan, möglicherweise ein Ex-Cop, der im Beruf gescheitert ist, aber immer noch seine Verbindungen hat. Das Bild, das diese Ermittler abgeben, ist möglicherweise ein Produkt ihrer Zeit, in der Helden zwar kompetent sein müssen, aber weder Vorbilder noch attraktiv noch einigermaßen gepflegt.

Sie hegen hingegen eine gediegene Depression, aus der sie vor etwa zehn Jahren noch durch eine neue Liaison gerettet werden konnten. Aber auch diese Zeiten sind vorbei. Rettung ist nirgends in Sicht.

Dazu kommt ein verstrickter Fall, der für den normalen Polizisten nicht mehr zu lösen ist, den er vielleicht nicht einmal wahrgenommen hat. Nur das besondere Sensorium des gebrochenen Helden ist dazu in der Lage – wenn es denn am Ende tatsächlich eine Lösung gibt.

Nun, Triantafillou ist weit davon entfernt, eine Lösung überhaupt nur einigermaßen interessant zu finden. Ihr Protagonist, Stuart Malone, erfüllt alle Anforderungen des neuen Helden. Er bewegt sich in einem eher mythischen als realen New York, hat sich nach Chinatown zurückgezogen, pflegt seine Marotten und beschäftigt sich mit verschwundenen Söhnen und untreuen Männern. Nichts deutet darauf hin (außer dem Klappentext), aber er gerät doch irgendwie in eine Mordserie, bei der die New Yorker Polizei nicht weiter kommt.

Nach und nach werden junge Männer verschiedener ethnischer Herkunft, unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Berufe ermordet. Immer findet sich auf ihnen die gestempelte Figur eines Hirschkopfes, was verschiedene Vermutungen zulässt: ein esoterischer, asiatischer oder auch ein waidmännischen Hintergrund. Man ist ja vieles gewohnt aus dem Serienkiller-Genre.

Da die Morde mehr oder weniger in der Nachbarschaft Malones stattfinden, dauert es nicht lange, bis er sich mit den Morden konfrontiert sieht und Vermutungen anstellt. Aber er verweigert sich den Nachstellungen der Polizei, die ihn mit einbinden will.

Stattdessen beschäftigt er sich lieber damit, seiner Frau nachzutrauern, die ihn verlassen hat, Erinnerungen zu pflegen, ein wenig zwischen Melancholie und Lethargie zu pendeln und mit Leuten interesselos zu plaudern.

Das treibt er eine ganz Weile, bis sich das Buch nach und nach füllt. Eingebunden in die Handlung ist die Ermittlung, die seine Sekretärin Deenie in Omaha auf der Suche nach einem verlorenen Sohn aufgenommen hat und bei der sie mit einem rassistischen Weißen anbändelt. Am Ende ist sie tot, und es schaut so aus, als ob die beiden Fälle sich verbinden ließen. Jäger in Omaha und Hirschköpfe auf New Yorker Leichen – ausreichend ist das immerhin.

Allerdings geht dem Ganzen im Laufe des vorbeiblätternden Textseiten nach und nach die Luft aus. Der Faden, wenn man denn davon sprechen kann, verliert sich wieder und das Buch endet einfach irgendwann und irgendwie. Daraus eine Philosophie oder wenigstens ein Konzept abzuleiten, ist nicht schwierig, aber müßig.

Und an dieser Beliebigkeit leidet Triantafillous Krimi sichtlich. Die Gestalt ihres Protagonisten ist belanglos, alles, was er tut, steht unverbunden neben dem, was er einfach lässt. Das Weltbild, das daraus entsteht, ist beileibe nicht angenehm, aber eben auch nicht bedrohlich. Es ist eher nebensächlich. Wenn die Autorin damit auf die Belanglosigkeit der Welt und die Irrgänge von Ermittlungen und Ermittlern hinweisen wollte – das hat sie geschafft. Aber es bleibt der Eindruck, es hier mit einem Genre- und Regelverstoß zu tun zu haben, der auf dem Reißbrett entstanden ist und deshalb in aller seiner Fragmentarität vor allem seiner Systematik gehorcht. Erkenntnis fördert Triantafillou damit ebenso wenig wie sie Langeweile vertreibt. Und das ist nicht gut.

Titelbild

Soti Triantafillou: Das Zeichen des Jägers. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Griechischen von Birgit Hildebrand.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2009.
236 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461440

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch