Ein viel zu langer Lebensplan

Volker Kaminskis Erzählung über einen gescheiterten Studenten

Von Gesa HinrichsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gesa Hinrichsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist eine große Kunst zu wissen, wann Schluss ist. Und "weniger ist mehr" ist eine Floskel, in der viel Wahrheit steckt. Volker Kaminski hätte sich diese Volksweisheit zu Herzen nehmen und dann aufhören sollen als Schluss war.

Er erzählt die Geschichte des Germanistikstudenten Danny Has, den eines Tages der Ruf nach dem "Lebensplan" ereilt. Schon lange nichts mehr für Studium und Zukunft getan, fasst er sich ein Herz und beschließt, seinen Traum von der Auswanderung nach Syrien wahr zu machen. Halbherzig schleppt er sich von Beratungsstelle zu Beratungsstelle, um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen.

Astrid, Kommilitonin und Nebenjobkollegin in einer Schlachterei, drängt Danny zu einer Entscheidung. Weniger, weil sie seinem Leben einen Sinn geben möchte, als vielmehr, weil sie seine Wohnung haben will. So versucht Danny mithilfe eines Jobs bei einer Speditionsfirma, endlich seinem Traum ein Stück näher zu kommen und vereinbart, bei einer Tour als Helfer mitzufahren. Wie erwartet platzt auch dieser Traum. In seiner Wohnung sitzt inzwischen Astrid, und der einzige Ort, wo er noch hingehen kann, ist seine von ihm vernachlässigte Familie: "Immerhin ist es deine Familie, die du nicht so leicht los wirst [...], die Familie ist wie ein Körperteil, wie ein Organ, während Freunde nur Haaren gleichen, die mit der Zeit ausgehen."

Der Vater ist kurz vor Dannys versuchtem Aufbruch gestorben, die Schwester wohnt noch immer in der kleinen Heimatstadt. Bei ihr zieht Danny ein, unterstützt sie in ihrer Boutique, bis er eines Tages auf Oswald trifft. Irgendeine alte Verbindung scheint zwischen den beiden Männern zu bestehen. Welche, das bleibt fraglich.

Genauso fraglich bleibt, wie es Oswald gelingt, Danny eine Weile gefangen zu halten. Und genau hier setzt der Teil ein, auf den Kaminski besser verzichtet hätte. Es ist kein Lesegewinn, einem gescheiterten Germanistikstudenten dabei zuzusehen, wie er auf die kriminelle Bahn gerät, mit einem grobschlächtigen Menschen, der seine Diebstähle in einen Wolfspelz gehüllt vollführt, "um mitten auf den Teppich zu scheißen." Was soll diese konstruierte Geschichte? Danny stellt diese Frage selbst: "Es sind so viele unglaubliche Dinge passiert, die ich mir nicht erklären kann. Da gab es Betrug, Hinterlist, Gewalt, [...] ein Schlachthof ist abgebrannt. [...] Und seit ein paar Wochen irre ich durch die Gegend und versuche mich zu befreien. Und dann gab es auch noch einen Toten." Einfach zuviel des Guten.

Schade, es hätte eine wirklich schöne Geschichte werden können. Eine Geschichte, von der wohl so mancher Germanistikstudent ein Lied singen kann. Aber Kaminski wusste nicht, wann Schluss war.

Titelbild

Volker Kaminski: Söhne Niemands.
Verlag Volk & Welt, Berlin 2000.
176 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3353011471

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