Nun sag, wie hast du’s mit der Ökonomie?

Zwei Einführungen zu wirtschaftstheoretischen Klassikern laden zur Grundlagenreflexion ein

Von Manuel BauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manuel Bauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit den Einführungen zu Adam Smith und Friedrich August von Hayek erweitert der Junius-Verlag seine inzwischen beträchtliche Einführungs-Reihe um Bände zu zwei überaus bedeutenden Denkern des Ökonomischen. Während Adam Smith gewissermaßen als Godfather des Liberalismus fraglos zu den bekanntesten Ökonomen der Geschichte zählt, dürfte Hayek außerhalb der Politik- und Wirtschaftswissenschaft weniger bekannt sein. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass in einer Zeit, die angesichts diverser geplatzter Finanzblasen offenbar wieder mehr Wert auf ökonomische Grundlagenreflexion und damit verbunden die Kenntnis der Klassiker legt, die gerade bei Studierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften beliebte Reihe mit einem Band zu Hayek aufwartet.

Michael S. Aßländers Einführung zu Adam Smith (1723-1790) setzt es sich zum Ziel, einen der „am häufigsten zitierten und […] am seltensten gelesenen Autoren“ wieder einem breiteren Publikum nahe zu bringen. Dabei will Aßländer dezidiert nicht die Lektüre der Smith’schen Texte ersetzen, sondern vielmehr zu deren Studium animieren. Er begreift Smith nicht in erster Linie als Schutzpatron eines globalisierten Neoliberalismus, sondern als einen auf Tugend und Eindämmung des Egoismus fokussierten Moralphilosophen. Das erstaunt, wird Smith doch längst primär als Verfasser der monumentalen Studie „Der Wohlstand der Nationen“ wahrgenommen, wenn er nicht gar nur auf einzelne Schlagworte wie „Liberalismus“ und „unsichtbare Hand“ reduziert wird (wobei er dieses Schicksal freilich mit allen Klassikern der Ökonomie teilen dürfte).

Der Schwerpunkt der Einführung liegt auf den beiden Hauptwerken Smiths, der „Theory of Moral Sentiments“ und dem bereits erwähnten „Wealth of Nations“, das mit Fug und Recht als wichtigstes ökonomisches Werk des 18. Jahrhunderts bezeichnen werden kann. Smiths Ethik hingegen kommt keine annähernd so große historische Bedeutung zu. Trotzdem liest Aßländer Smith konsequent als moralphilosophischen Denker, in dessen System Moralphilosophie, Rechtsphilosophie und Ökonomie untrennbar verbunden gewesen seien. Indem diese enge Verknüpfung der verschiedenen Bereiche stets im Blick behalten wird, soll Missverständnissen und Fehlinterpretationen begegnet werden, die aus einseitigen Betrachtungen der Smith’schen Moralphilosophie oder Ökonomie resultieren. Vor allem der Ansicht, Smith propagiere einen „Laissez-faire-Kapitalismus“, begegnet Aßländer mit dem Hinweis auf die Begrenzung, die Smith zufolge jeglichem menschlichen Handeln durch die Gebote der Moral auferlegt werden. In Zeiten, in denen beständig die moralische Verpflichtung der Wirtschaft beklagt wird, ist es ebenso wohltuend wie systematisch geboten, sich mit historischen Vorschlägen zur Verbindung dieser vermeintlich gegensätzlichen Bereiche zu befassen.

Aßländer macht den Leser mit der Biografie Smiths vertraut und schildert dabei anschaulich dessen sozialgeschichtliche und intellektuelle Verwurzelung in der schottischen Aufklärung und den Einfluss, den Denker wie Francis Hutcheson, David Hume und nicht zuletzt Isaac Newton ausübten. Smith sei sowohl von den philosophischen als auch mathematisch-naturwissenschaftlichen Diskursen des 18. Jahrhunderts geprägt worden, was sich in seiner eigenen Denk- und Schreibweise niedergeschlagen habe, die bei aller spekulativ-historischen Ausrichtung der Vorgehensweise der Naturwissenschaften gleiche. Darüber hinaus zeigt Aßländer Smith auch als Ökonomen, der zentrale Aspekte seiner Theorie aus der eignen Praxis und Anschauung kannte.

Je ein ausführliches Kapitel ist den beiden Hauptwerken gewidmet, die nicht isoliert, sondern im Kontext des Gesamtwerks dargestellt werden, so dass die konstatierte untrennbare Verknüpfung von Ethik, Politik und Ökonomie anschaulich wird. Es versteht sich von selbst, dass ein 800 Seiten umfassendes Werk wie „Wealth of Nations“ auf 40 Seiten nur selektiv vorgestellt werden kann und dass einzelne Aspekte allenfalls gestreift werden können. Das gereicht einem zur Einführung konzipierten Buch jedoch nicht zum Nachteil, zumal die Lektüre der Primärtexte nicht ersetzt werden soll. Der interessierte Leser, der sich beispielsweise über Smiths Theorie des Geldes oder des Zinses informieren möchte, wird mithin nicht der Mühe enthoben, sich mit den bisweilen etwas antiquierten Primärtexten auseinanderzusetzen. Aßländer greift in seiner notwendig verknappenden Einführung Bereiche wie die berühmte Theorie der unsichtbaren Hand, das Prinzip der harmonischen Weltordnung, die Rolle der natürlichen Freiheit und die damit verbundene rigide Zurückweisung staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben oder die wirtschaftlichen Vorzüge der Arbeitsteilung heraus und vermittelt dadurch, auch wenn sich im Detail der eine oder andere Einwand formulieren ließe, einen plastischen Eindruck vom Denken des Mannes, der maßgeblich an der Ausbildung der Nationalökonomie als eigenständiger Wissenschaft beteiligt war.

Dass die Wirtschaftstheorie von Adam Smith noch für Denker des 20. Jahrhunderts ein wesentlicher Bezugspunkt war, zeigt sich auch an Friedrich August von Hayek (1899-1992), der sich wiederholt auf Smith beruft. Hans Jörg Henneckes Einführung limitiert Hayek nicht auf das Gebiet der Ökonomik, sondern sieht in ihm einen „Klassiker politischen Denkens“, dessen Tun man „in einem umfassenden Sinne als Moralwissenschaft“ bezeichnen könne. Entsprechend möchte sich der Band auch weniger an Ökonomen denn an interessierte Laien richten und die im engeren Sinne ökonomischen Themen knapp behandeln. Dennoch muss konstatiert werden, dass mit Fachvokabular nicht gegeizt wird, so dass der interessierte Laie ein ums andere Mal an das Ende seines ökonomischen Lateins gerät und einen erläuternden Nebensatz nicht schmähen würde.

Hennecke präsentiert zunächst einen biografischen Abriss, durch den Hayek in die politischen, ökonomischen und philosophischen Diskurse seiner Zeit eingebettet wird. Von besonderer Bedeutung ist Hayeks Zugehörigkeit zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie, seine Kontakte zu philosophischen Meisterdenkern wie Karl Popper, die (wenn auch nur randständige) Beteiligung an der Ausprägung des Neoliberalismus und die Kontroverse mit John Maynard Keynes, dem wohl berühmtesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Anders als Keynes, der im Zuge der jüngsten Finanzkrise wieder breiter diskutiert wird, lehnte Hayek staatliche Maßnahmen zur Krisenbewältigung sowie makroökonomische Theorieentwürfe generell ab. Für seine frühen geld- und konjunkturtheoretischen Arbeiten wurde Hayek schließlich 1974 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen.

Ein lebenslanges Anliegen war Hayek die Auseinandersetzung mit totalitären Systemen, insbesondere sozialistischer Prägung. Bemerkenswert ist dabei, dass Hayek den Sozialismus nicht pauschal dämonisiert, sondern ihm durchaus ehrenwerte Ziele zuspricht, die methodischen Prämissen aber rundweg ablehnt. Speziell Planwirtschaft erachtete er als unvereinbar mit Freiheit und Demokratie, was er am prominentesten in seinem Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ darlegt, das keinen geringeren als George Orwell bei der Arbeit an der Dystopie „1984“ beeinflusste. Frappierend und auch heute noch provozierend ist indes Hayeks Zurückweisung von Vorstellungen wie „sozialer Gerechtigkeit“, die aus Gefühlen resultierten, die mit groß angelegten Ordnungssystemen unvereinbar seien. Auch mit der These, dass Demokratie notwendig mit Kapitalismus einhergehen müsse, könnte Hayek noch in modernen Debatten für Zündstoff sorgen. Angesichts des medial vorherrschenden Neoliberalismus wäre man allerdings für das Reflexionsniveau eines Hayek jederzeit dankbar.

In Henneckes mehrere Felder streifender Darstellung wird ersichtlich, wie vielseitig die Gegenstände waren, denen sich Hayeks Denken über die Jahrzehnte hinweg zuwandte. Unter anderem wird er als Theoretiker der Wissens, der Freiheit, menschlicher Ordnungsformen, des Gedächtnisses und kultureller Evolution greifbar. Leider versäumt es Hennecke, die Anschlussfähigkeit dieser Denkmodelle an aktuelle Debatten aufzuzeigen, die um diese Begriffe und Theoriefelder kreisen.

Bei beiden Büchern wäre schließlich zu fragen, ob das anvisierte Lesepublikum, bei dem es sich in den seltensten Fällen um geistesgeschichtlich bereits allzu kenntnisreiche Experten handeln dürfte, bei Begriffen wie „prästabilierte Harmonie“ oder „Neoklassik“ nicht für eine kurze Erläuterung dankbar wäre. Bisweilen entsteht der Eindruck, dass zwar bei den Theorien der jeweiligen Autoren, nicht aber bei den intellektuellen und fachwissenschaftlichen Kontexten dem Umstand Rechnung getragen wird, das sich derlei Einführungsbücher vornehmlich an Studierende richten.

Dennoch: Beide Bücher stellen gelungene Einführungen in das Leben und Werk von Autoren dar, deren Überlegungen zwar tiefe Spuren im neoliberalen Denken der Gegenwart hinterlassen haben, aber kaum mehr im Einzelnen bekannt sind. So sind die Einführungsbände ein gelungener Anlass, sich mit den Primärtexten vertraut zu machen, die, obzwar in manchen Aspekten historisch sicher überholt, von immenser Bedeutung für die philosophischen Grundlagen liberaler Wirtschaftsordnungen sind. Da sich die Kulturwissenschaften in immer größerem Ausmaß für ökonomische Theorien interessieren, bleibt zu hoffen, dass auch Ökonomen wie David Ricardo oder Joseph A. Schumpeter Gegenstand künftiger Einführungen sein werden.

Titelbild

Michael S. Aßländer: Adam Smith. Zur Einführung.
Junius Verlag, Hamburg 2007.
216 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783885066415

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Hans Jörg Hennecke: Friedrich August von Hayek. Zur Einführung.
Junius Verlag, Hamburg 2008.
191 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783885066552

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