Verlagswerbung 2.0
Die ersten Verlage haben Social Media für sich entdeckt. Aller Anfang ist schwer, aber es ist ein Anfang
Von Deborah Bischofberger und Anne-Carin Burgard
„Pärchenabend per Livestream? Ab 19 Uhr liest Susanne Klingner bei Lovelybooks aus ihrem Roman ,Pärchenabend forever‘“, twittert der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch fröhlich in die Welt hinaus. Mithilfe des Web 2.0 erreicht auch Buchwerbung potentielle Interessenten auf direktem Weg. Soziale Kommunikation als Marketingstrategie – revolutionär oder überbewertet?
Dominique Pleimling vom Eichborn Verlag sieht darin eindeutig ein Marketingpotential. Im Mai 2010 ist seine Stelle als Redakteur im Bereich Social Media aus einer zunächst privaten Freizeitbeschäftigung mit Twitter und Facebook entstanden. „Es hat mir einfach so viel Spaß gemacht, so dass ich dem Vorstand vorgeschlagen habe, dauerhaft Verlagswerbung online zu stellen“, sagt der internetbegeisterte Dreitagebartträger mit der schwarzen Randbrille stolz.
Seit August 2009 ist der Eichborn Verlag mit einem Twitter-Account dabei, seit Januar 2010 kann man bei Facebook Mitglied einer eigenen Verlags-Fanseite werden. Ein Viertel seiner Arbeitszeit verbringt Pleimling damit, „Neuigkeiten online zu stellen und die darauf folgenden Kommentare und Anfragen zu beantworten“. Manchmal sei er mehrere Stunden damit beschäftigt, Angefragtes zu recherchieren und gute Formulierungen zu finden, räumt er ein und scheint in Gedanken schon die nächste Statusmeldung zu verfassen.
Doch wozu betreibt er diesen Aufwand? Pleimling lehnt sich zufrieden zurück: „Es ist doch toll, wenn man Leser mit ins Boot nehmen kann.“ Bücher an sich seien ja doch eher unkommunikativ und durch soziale Netzwerke sei es möglich, zu den Kunden und umgekehrt auch mit dem Verlag Kontakt aufzunehmen. Statusnachrichten verfasst er gerne in lockerem Umgangston: „Boah, das Wetter geht ja gar nicht! Damit es wenigstens etwas zu lachen gibt, poste ich heute einige Auszüge aus Norbert Golluchs ‚Stirbt ein Bediensteter während der Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet‘.“ Ein Fankommentar lautet so: „Großartiger Titel. Passt irgendwie zum Wetter, Danke.“. Ein anderer Nutzer möchte die ostfriesische Sonne ins bewölkte Frankfurt schicken. Interaktiv? Absolut. Effektiv? Vielleicht.
Mit fast 2.000 Followern bei Twitter und 1.500 Fans bei Facebook ist der Eichborn Verlag in der Branche ein Vorreiter in Sachen Social Media. Beim Ranking der Initiative „Ich mache was mit Büchern“, das monatlich die beliebtesten Verlagsfanseiten prämiert, belegt Eichborn unter den Belletristikverlagen regelmäßig den ersten Platz. Der Gründer der Initiative Leander Wattig stellt fest: „Die Fanzahl ist nur ein und nicht das wichtigste Erfolgskriterium. Aber ein gut messbares.“ Solche Ranglisten würden auch eine Motivation für Verlage darstellen, sich aktiver zu beteiligen. Er selbst nutzt die Fanfunktion vor allem aus beruflichen Gründen, auch zwecks einer Vernetzung mit Leuten aus der Buchbranche – allerdings nur selten als aktiver Mitleser der Statusnachrichten.
Es gilt als ein allgemeines Marketing-Gebot, dass ein Kunde 10 bis 15 Mal mit einem Produkt in Berührung kommt, bevor er sich zu einem Kauf entschließt. Was liegt also näher, als die heutigen Möglichkeiten komplett auszuschöpfen und eine Online-Omnipräsenz anzustreben? „Ein positiver Effekt ist unabstreitbar“, stellt auch Pleimling bescheiden fest. Führende Belletristikverlage sind sich der wachsenden Bedeutung von Social Networks noch nicht bewusst, wie man etwa bei S. Fischer und Suhrkamp beobachten kann. Diese verfügen zwar über einen Facebook-Account, vernachlässigen ihn jedoch. Der Hanser Verlag hat immerhin kürzlich die Stelle eines Social-Media-Redakteurs ausgeschrieben.
Der S. Fischer Verlag nimmt hier einstweilen noch eine Beobachterposition ein. Cornelia Karalus, Marketing-Mitarbeiterin in der Verlagsgruppe, betont: „Wir haben derzeit bewusst keinen Fischer Auftritt bei Facebook.“ Die Verlagshomepage solle weiterhin Aushängeschild der Fischer Verlage sein, den sozialen Netzwerken wird vorerst ein geringerer Stellenwert eingeräumt. Auch die täglich verfassten Twitter-Nachrichten, die Tweets, sieht sie als „kurze Appetithäppchen“, um interessierte Leser auf die Fischer-Portale zu leiten. „Bei Gefallen kann der User hier schnell weiterempfehlen beziehungsweise kommentieren. Wir erhalten so direktes Feedback, was wir für die Planung weiterer Projekte gerne sammeln und auswerten.“ Einen Facebook-Account haben die FischerVerlage momentan lediglich für die „House of Night“-Saga, er wird jedoch extern von einer Agentur betreut. Auf Facebook können die Nutzer Kommentare hinterlassen und eigene Fanfotos hochladen. Aber wie sinnvoll ist das? Bilderaustausch allein trägt nicht zu einem kommunikativen Verlagsauftritt bei Facebook bei. Man findet ja dort noch nicht einmal einen Hinweis darauf, dass die Buchreihe bei Fischer verlegt wird.
Wie werden die multimedialen Angebote der Verlage überhaupt genutzt? Den Wunsch nach Interaktivität bestätigt die 20-jährige Tatjana. Sie ist Fan zahlreicher Belletristik-Verlage bei Facebook und dies hauptsächlich, um sich über Neuerscheinungen und Lesungen zu informieren: „Es interessiert mich, was die Verlagsmenschen als wichtig erachten und es dann zu Facebook oder Twitter online stellen. Zwischendurch sind echt tolle Sachen dabei, manchmal nur Langweiliges“, sagt sie. Die Bloggerin Petra informiert sich gerne über aktuelle Neuerscheinungen und nutzt Facebook als Quelle für eigene Blogartikel und Podcasts. Sie kommentiert das eine oder andere Mal auch die Statusnachrichten der Verlage. Zum einen, um ihre Meinung zu vertreten, aber zum anderen „um gesehen zu werden und meine Zielgruppe neugierig auf unsere eigene Fanpage zu machen“.
Gesehen zu werden scheint vorerst das wichtigste Ziel zu sein. Wann sich Werbung 2.0 bei allen Belletristikverlagen durchsetzt – und das wird sie definitiv – ist nicht absehbar. Und ob sich potentielle Kunden mit netten Plaudereien schließlich ködern lassen, werden zukünftige Buchverkaufszahlen zeigen. Spätestens, wenn der EichbornVerlag auch hier eine Führungsposition erobert hat, wissen wir mehr.