Sarah Connor als nationalsozialistische Führerin

Dagmar Hoffmann hat einen Sammelband zu „Körperästhetiken“ im Spielfilm zusammengestellt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Träume Hollywoods gebären nicht nur Ungeheuer, sondern auch Schönheitsnormen. Um letzteren zu entsprechen, unterziehen sich zahlreiche schauspielernde Hollywoodgrößen und solche, die es bleiben oder werden wollen, chirurgischen Eingriffen und anderen oft nicht weniger gravierenden Maßnahmen. Alleine daran lässt sich ablesen, wie wichtig die „filmische Inszenierung von Körperlichkeit“ ist. Und zwar nicht nur hinsichtlich der Karrierebestrebungen der Stars und Starlets, wie ein nun unter dem Titel „Körperästhetiken“ erschienener Sammelband zeigt, für den die Herausgeberin Dagmar Hoffmann eine Reihe AutorInnen gewinnen konnte, „die sich aus ihrer jeweiligen Disziplin heraus mit den Produktionsästhetiken und der Rezeption filmisch präsentierter Körper beschäftigen“.

Hoffmann selbst eröffnet den Band mit einem Beitrag zu „Körper(-Ästhetiken) in Gesellschaft und Film“, in dem sie beklagt, dass der Körper und das Körperliche erst seit kurzem zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen avancierten. Dies sei um so erstaunlicher, als „soziales Handeln, soziale Normen und auch der Sinn menschlicher Handlungen ebenso wie soziale Wahrnehmung stark an den Körper und das Körperliche gebunden sind“.In Anbetracht dessen sollte „das Körperliche“ vielmehr zu den zentralen Untersuchungsgegenständen der Disziplin zählen. Dass mag durchaus so sein, ihr Aufsatz erweist sich allerdings nicht als sehr innovativ und ertragreich. Wenn sie etwa konstatiert, es sei „wohl kaum zu vermeiden, dass soziologische Forschung über das Körperliche in Teilen immer auch Auskunft über den Analysierenden gibt“, ist das schlicht banal. Denn alles, was ein Mensch kommuniziert, gibt immer auch Auskunft über ihn selbst – und zwar notwendigerweise. Andere ihrer Thesen sind nicht ganz unproblematisch. So behauptet Hoffmann etwa, „noch bevor ein Unbekannter an einem beliebigen Ort auf einen zukommt und mit einem in Kontakt treten will, weiß man, wie nah oder fern man dieser Person sein möchte – ohne sich das immer bewusst zu machen“. Die Problematik dieser Aussage liegt – im vorliegenden Zusammenhang eines wissenschaftlichen Sammelbandes – zumindest in zweierlei: Zum einen dürfte sie schwer überprüfbar sein. Und zum anderen ist die Vorstellung unbewussten Wissens selbst nicht unproblematisch. Zutreffender wäre hier von einem unbewussten Empfinden zu sprechen. Auch steigert es nicht eben das Vertrauen in ihre Recherchearbeit, wenn sie ihre Informationen etwa über die Einkünfte von Hollywoodstars ausgerechnet Wikipedia entnimmt. Hinzu treten einige kleinere Mängel des Textes, wie etwa die fehlende Zahl bei der Angabe des Platzes, den Halle Berry auf der „Liste der internationalen Topschauspieler“ einnimmt, oder dass die Autorin schon einmal dieselben Informationen nicht nur im Text selbst, sondern zudem in der dazugehörigen Fußnote bietet – und zwar im identischen Wortlaut.

Stellt die Herausgeberin eher grundsätzlichere Überlegungen zum Thema an, so widmen sich ihre AutorInnen meist bestimmten Filmen. Ausnahmen von der Regel des close reading einzelner cineastischer Werke bilden der Beitrag von Michael Wedel, der den „postklassischen Hollywood-Kriegsfilm als reflexives Body Genre“ fasst, und derjenige Wedemanns, der den Band mit einem Exkurs „Zur Nacktheit und Erotik in ‚DEFA‘-Spielfilmen“ beschließt.

Zu den Beitragenden, die sich auf bestimmte Filme konzentrieren, zählt hingegen Jana Herwig. Sie geht der „Körpersemantik in Zack Snyders ,300‘“ nach. Robert Gugutzer unternimmt eine „soziologische Analyse“ der Körperbilder in „Million Dollar Baby“. Sandra Günter wirft einen „interdisziplinären Blick auf die übergewichtigen Körper im Film ‚Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa‘“. Gleich zwei Beiträge befassen sich mit Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“. Christine Grond-Rigler vergleicht die „Frauenkörper“ des Films und seiner literarischen Vorlage, Schnitzlers „Traumnovelle“, und Eva Maria Stöckler hat sich György Ligetis Musica Ricercata II in ‚Eyes Wide Shut‘“ angehört. Martina Schuegraf „geht es insbesondere um die Darstellung und Verkörperung der Figur Lisa Rowe durch Angelina Jolie in dem Film „Girl, Interrupted“. Sabine Misoch hebt in ihrem Text über „reale, virtuelle und künstliche Körper im Film ‚Matrix‘“ auf vermeintliche „neurowissenschaftliche Erkenntnis[e] des konstruktiven Charakters der Wirklichkeit“ ab, um die „körperbezogenen Aspekte des Films“ „soziologische Kontexte“ zu stellen.

Gerald Trimmel fasst medienwissenschaftliche und tiefenhermeneutische Ansätze zu einer kulturwissenschaftlichen Perspektive zusammen, um anhand des Films „Terminator 2“ „wichtige Bedeutungspotentiale zu erschließen und auszuloten, die Köper und Körperlichkeit als diskursive Konstruktionen betreffen“. Das führt ihn zu einigen instruktiven Erkenntnissen, wie etwa der Feststellung, dass der Film zwar die „klassische Vaterrolle zur Disposition“ stellt, aber „das Konzept der Kleinfamilie selbst unangetastet“ lässt. Auch der Abriss, dass die „facettenreiche Figur“ Sarah Connor eine „lange Phase der Katharsis“ durchlebt, die von ihrem jämmerlichen Dasein in einer Psychiatrie ihren Ausgang nimmt und in deren Verlauf sie sich von einer zunächst „unscheinbaren Mutter des zukünftigen sagenumwobenen Führers der menschlichen Allianz gegen das Terrorregime der Maschinen“ zur „durchtrainierten menschlichen Kampfmaschine“ und „Seherin“ bis hin zur „Mutter des gesamten Menschengeschlechts“ entwickelt, ist konzis und überzeugend. Nicht nachvollziehbar allerdings ist, dass Trimmel die Figur mit der Protagonistin des nationalsozialistischen Propagandafilm „Heimkehr“ engführt und dies damit zu begründen versucht, dass Connor nicht nur wie die „ideologisch gefestigte Lehrerin“ des Nazistreifens „im unscheinbaren Körperpanzer agiert“, sondern mit dieser auch „eiserne Disziplin, unerschöpflicher Energie und einem unerschütterlichen Glauben an ihre Mission“ teile. Trimmel unterstreicht die vermeintliche Nähe der Figur zum Nationalsozialismus sogar noch, indem er sie in diesem Zusammenhang als „Führerin“ apostrophiert.

Titelbild

Dagmar Hoffmann (Hg.): Körperästhetiken. Filmische Inszenierungen von Körperlichkeit.
Transcript Verlag, Bielefeld 2009.
352 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783837612134

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