Mannigfaltige Einigkeit – Misia Doms analysiert barocke Seelenmetaphern vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Anthropologie

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das christliche Dogma von der unteilbaren Einheit der Seele wird in der barocken Anthropologie durch vielfältige Hinweise auf eine Pluralität des Psychischen in Frage gestellt. Während dies in der philosophischen Begrifflichkeit zu unüberwindlichen logischen Widersprüchen führt, gelingt es der zeitgenössischen literarischen Bildlichkeit ohne Schwierigkeiten, das Seelische als ‚mannigfaltige Einigkeit‘ zu entwerfen.

Mit Hans Blumenberg kann man die plural-einheitlichen Seelenmetaphern der Frühen Neuzeit als unbegriffliche Antwort auf die begrifflich nicht zu beantwortende Frage nach der psychischen (In-)Kohärenz betrachten. An den Seelenbildern barocker Lyrik untersucht die Studie die Varianten und besonderen Bedingungen einer solchen seelischen ‚Viel-Einheit‘, deren Zustandekommen sich wesentlich aus der gleichzeitigen Offenheit des Psychischen für Gott und die Welt erklären lässt. Im Vordergrund stehen dabei Gedichte, in denen die Seele als klar raumbezogenes Gebilde beziehungsweise als Raum entworfen wird. Betrachtet werden aus syn- wie aus diachroner Perspektive unter anderem Seelentafeln, -punkte und -strahlen, psychische Abgründe, Häuser, Gärten, Städte und Reiche, fließende und unendlich geweitete, leere und mannigfach gefüllte Seelenräume.

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Titelbild

Misia Sophia Doms: Die Viel-Einheit des Seelenraums in der deutschsprachigen barocken Lyrik.
De Gruyter, Berlin 2010.
440 Seiten, 74,95 EUR.
ISBN-13: 9783110230925

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