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Jeffery Deavers neuer Thriller „Nachtschrei“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der neue Roman von Jeffrey Deaver hat eine dem Leser bisher unbekannte Protagonistin: Brynn McKenzie, Deputy in Madison. Die resolute Polizeibeamtin, Mutter eines Sohnes namens Joey und liiert mit dem Landschaftsgärtner Graham, wird zu einem Mordschauplatz gerufen und dort mit zwei Leichen, zwei vermeintlichen Tätern und einem überlebenden Opfer konfrontiert. Die Situation eskaliert, McKenzie wird von den Tätern bedrängt und sieht sich Hart gegenüber, einem professionellen Auftragsmörder, der auf merkwürdige Art von McKenzie fasziniert ist. Die Polizistin kann sich gerade noch vor den Angriffen der Kriminellen retten und flieht in die Wälder – zusammen mit der Freundin der beiden Mordopfer, der sie in der Nähe des Tatorts begegnet und die sich offensichtlich vor den Auftragsmördern versteckt hat.

Die Flucht durch die Wildnis ist nur aufgrund von McKenzies Kenntnissen in Überlebenstechniken möglich – und aufgrund ihres taktischen Geschicks. Die Flucht gestaltet sich für den Leser als aufregendes Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Flüchtenden keine Finte unversucht lassen, um dem vermeintlichen Mörderduo zu entwischen. Deaver baut dabei geschickt die emotionalen Befindlichkeiten des Auftragsmörders Hart ein, so dass die „Jagdbeziehung“ von Jäger und Gejagtem fast eine erotische Komponente erhält, wenn er Hart reden und denken lässt: „Ich würde das Dasein, das ich führe, um nichts in der Welt eintauschen wollen. Sehen Sie sich doch all die gewöhnlichen Leute an – diese wandelnden Toten. In denen steckt kein Funken Leben mehr, Brynn. Sie sitzen herum und regen sich über irgendwas auf, das sie im Fernsehen gesehen haben und das überhaupt keine Auswirkungen auf die persönlich hat. Sie gehen zur Arbeit, kommen nach Hause, reden belangloses Zeug, von dem sie keine Ahnung haben oder das sie nicht interessiert… Mein Gott, empfinden diese Leute die Langeweile denn nicht als unerträglich? Mir würde es so ergehen. Ich brauche mehr, Brynn. Sie nicht auch?“

Die subtilen Strategien des Jagens halten den Leser in Atem. Dabei bleibt der Jagdinstinkt nicht auf die Mörder beschränkt. McKenzie wird von einer seltsamen Mischung aus „Fanatismus des Überlebens“, Polizeistolz und Jagdfieber getrieben, die ihr letztendlich auch das Überleben sichern werden. Dass Deaver dabei noch einige Finten eingebaut hat, die den Leser bis zum Schluss in die Irre führen, mag nach mehreren hundert unterhaltsamen Seiten nicht weiter verwundern. Und dass er im gelassenen Ausklang des Thrillers noch persönliche Details zu seiner etwas schrägen, aber sympathischen Protagonistin Brynn McKenzie liefert, lässt auf ein Fortbestehen und „Weiterleben“ der Figur hoffen. Zusammenfassend: spannend, unterhaltsam und interessante Charaktere.

Titelbild

Jeffery Deaver: Nachtschrei. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Haufschild.
Goldmann Verlag, München 2010.
509 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783442374717

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