Alter Mann – junge Frau: was ist daran interessant?

Elisabeth Plessen schreibt die alte Geschichte, nur leider gar nicht neu

Von Liliane StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Liliane Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der nicht mehr junge Architekt Oskar Marwig hat schon einige Frauenbeziehungen hinter sich und bis jetzt hat er seine Geliebte oder Ehefrau jeweils verlassen, bevor sie diesen Schritt hätte tun können. Vor Verletzungen weiß er sich zu schützen, da muss ihm keine kommen. Und er findet Bestätigung bei den Frauen und in seinem Beruf als Architekt, wo er erfolgreich ist und Projekte auch in den USA verfolgt – eine wichtige Rolle spielt hier das geplante Music Center in Philadelphia. Oskar ist psychisch labil, die Trennungen machen ihm trotz allem zu schaffen, so locker, wie er selbst gerne wäre, ist er nun doch nicht.

Alles ändert sich, als Oskar Ida kennenlernt. Auf einer Party von Professor Wels entdeckt er sie, „in ihrem Kleid mit dem Stehkrägelchen“. Philosophiestudentin, schmal, mit kleinen Brüsten. Die Unschuld in Person. Und auch von Wels begehrt. Die beiden nehmen den Hahnenkampf auf – und Oskar gesteht ihr Wochen später, dass er sie habe ansprechen müssen. Hundert Seiten dauert es, bis Oskar endlich auf Ida, die dem Roman den Titel gibt, trifft. Vorher haben wir sie zwar schon kennengelernt, ebenso ihre Schwester Jutta, die bei Oskar im Büro arbeitet. Als Ida auftritt, verschwindet ihre Schwester aus dem Roman. Denn nun gibt es für Oskar nur noch Ida. Die Beschreibung dessen, was die beiden Verliebten erleben, enthält nichts Neues oder Besonderes. Zwar erfahren wir noch das eine oder andere über Oskars Arbeit, aber im Prinzip spielt dies alles keine Rolle mehr – obschon der Klappentext auch einen Roman über Architektur verspricht.

Mit Ida, so ist Oskar überzeugt, kann alles nur gut werden. Dass Ida das irgendwann nicht mehr so sehen wird, kann er sich nicht vorstellen. Umso brutaler ist das Erwachen, als er wieder einmal von einem längeren Arbeitsaufenthalt in Philadelphia zurückkehrt und realisieren muss, dass sich Ida von ihm entfremdet. Sie will in die Stadt zurück – Oskar und Ida leben abgeschieden auf dem Land –, sie will mit Gleichaltrigen ausgehen, sich austoben, das Leben entdecken und auskosten. Dafür ist Oskar ein schlechter Begleiter. Oskar kann nicht verstehen, was da mit ihm geschieht. Ida ist doch seine große Liebe, er liebt nur sie und wird niemand anderes lieben können. Darum: wenn Ida ihn verlässt, wird sie die Verantwortung tragen müssen. Um seinem 65. Geburtstag zu entfliehen – denn Oskar fürchtet nichts so sehr wie endgültig zu den Alten zu gehören –, fliehen Ida und Oskar noch einmal in die Toskana, wo sie viele wunderschöne Wochen im Haus eines Kollegen erlebt haben. Doch nichts ist mehr so wie früher. Ida verweigert sich Oskars Zärtlichkeiten und Annäherungsversuchen, Oskar driftet ab in psychotische Zustände, Ida weiß sich nicht mehr zu helfen, denn Oskar würde nie mit ihr zurück nach Berlin fahren, wo der Arzt ist, der ihn kennt und behandeln könnte. Es ist ein harter Kampf, den sie aufgenommen haben, beide werden verlieren. Als sie dann endlich doch wieder in Berlin sind, schickt der Arzt Ida für einen Monat in ein Sanatorium im Schwarzwald und behandelt Oskar auf seiner Privatstation. Zum Schluss des Romans schreibt Oskar an Ida, dass er nun in Philadelphia lebe und dort auch eine junge Amerikanerin kennengelernt habe. Der Brief – und der Roman – endet mit den Worten: „Ich gebe dich niemals frei.“

Die Geschichte, die Elisabeth Plessen geschrieben hat, ist nicht neu. Das wäre an sich noch kein Problem. Vielmehr irritiert die Art des Schreibens. Die Sprache ist hölzern, erzählt wird kaum, es werden eher Ereignisse in einer abstrakten Form beschrieben. Seitenlang lesen wir zuerst vom Elend des verlassenen und einsamen Architekten, später von pubertären Verliebtheiten und gegen Ende hin wieder von den Tragödien der zu Ende gehenden Beziehung. Dabei bleiben die Figuren leblos. Was zwischen ihnen entsteht – und das gilt auch etwa für die Beziehungen von Oskar zu seinen Arbeitskollegen –, wird erläutert, behauptet, ausgeführt, es vermag jedoch kaum das Interesse der Leserin zu wecken. Warum nur soll sich die Leserin für Oskar oder für Ida interessieren? Wie es ausgehen wird, ist von Anfang an klar, aber auch das ist letztlich egal.

Der Roman ist eine Enttäuschung. Der Verlag kündigt eine Emanzipationsgeschichte an und spricht davon, dass der Roman „von großer sprachlicher Eleganz und Kraft [sei], von Sensibilität und Entschiedenheit durchdrungen“ – nur leider findet sich davon nicht sehr viel. Es bleibt die Erinnerung an einen spannenden Roman von Plessen, „Mitteilung an den Adel“, erschienen 1976. Da hat sie ein Thema aufgegriffen, das – damals – viele Frauen (und Männer) brennend interessierte, und sie hat es in einer Sprache geschrieben, die uns faszinierte. Zumindest das hat „Ida“ bei der Rezensentin bewirkt: dass sie „Mitteilung an den Adel“ aus dem Regal holt.

Titelbild

Elisabeth Plessen: Ida. Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2010.
362 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783827009418

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