Deus ex machina en gros

Patrick Lee ist auf Effekthascherei aus und bietet deshalb nicht mehr als Dutzendware mit Technikschnickschnack

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Verlage, die durch ihre Gründer, ihre Geschichte und ihr Programm zurecht berühmt sind. Rowohlt gehört dazu, auch wenn der Verlag sich immer auch der Unterhaltung gewidmet hat und schon seit langem, gelegentlich sehr erfolgreiche Krimis verlegt. Auch im Thriller und im Science Fiction hat sich Rowohlt schon versucht, und so ist eine Schwarte wie Patrick Lees „Die Pforte“ keine Überraschung. Der Verlag will gelegentlich auch seine Bestseller.

Allerdings ist dabei aus Lesersicht nicht immer alles Gold, was als golden angepriesen wird. Und dass man Klappentexten nicht glauben kann, weiß sowieso jeder. Aber darauf kommt es hier nicht an, sondern auf so etwas wie eine gute Story und eine gewisse Plausibilität.

Dass etwas so geschehen könnte, wie es ein Roman schildert, der zwischen Action, Thriller und Science Fiction angesiedelt ist, kann man nicht verlangen. Dabei kommt es nicht einmal auf die technischen Wunderstücke an, die sich die Autoren ausdenken. Nein, viel bedeutsamer sind ein guter Plot und eine einigermaßen hinreichende Ableitung des Handlungsverlaufs aus den Informationen und Vorgängen, die das Buch mitteilt. Und was das angeht, macht einem Lees „Pforte“ ein bisschen Sorgen.

Ein Ex-Cop und Ex-Knacki namens Travis Chase macht sich, frisch entlassen, auf eine Trekking-Tour durch eine entlegene Gegend Alaskas und entdeckt eine Boeing 747, die offensichtlich einige Tag zuvor einen blitzsauberen Crash hingelegt hat. Statt der Rettungstrupps, die man erwarten könnte, liegt das Flugzeug einsam und verlassen im Dreck. Statt Überlebender, die sich um die schwerer Verletzten kümmern, findet Chase nur die Leichen der Abgestürzten vor.

Das Schreckliche daran: Die Überlebenden sind allesamt erschossen worden. Unter ihnen die Frau des US-Präsidenten, der es jedoch gelungen ist, dem edlen Finder noch eine Nachricht zu hinterlassen. Darin werden ein paar Hintergründe des merkwürdigen Flugzeugs und der Überfall geschildert, außerdem weist die First Lady den Finder an, alle umzubringen, die er nur irgendwie noch auffinden kann.

Das ist auch für einen Wanderer vom Profil Chases ein wenig zuviel. Er setzt sich statt dessen auf die Fährte des Überfallkommandos, befreit eine junge Frau aus deren Fängen und findet dabei heraus, dass sich der ganze Aufwand nur um ein merkwürdiges Gerät dreht, das „Flüstern“ genannt wird. Ein Waffe, die aus einer Art Dimensionenriss stammt, wie man ihn mittlerweile aus mehreren mittelschlechten Science-Fiction-Serien kennt. In diesem Fall spuckt er immer wieder Geräte aus, die als Waffen und anderes eingesetzt werden können.

Zwar begreift niemand, wie die ganzen „Entitäten“ – wie die Auswürfe der Pforte genannt werden – hergestellt werden. Sie sind, wie der Text niemals müde wird zu betonen, Produkt einer überlegenen Zivilisation, die leider bisher auf einen Antrittsbesuch verzichtet hat. Aber nutzen kann man sie immerhin.

Da gibt es zum Beispiel das pistolenähnliche Gerät, das als Heilungsmaschine funktioniert. Es gibt einen Verdoppler, der alles verdoppelt, was man als Kopiervorlage darunter legt. Es gibt einen Anzug, der unsichtbar macht, was ungeahnte Möglichkeiten eröffnet (aber am Ende dem Träger auch nichts nutzt). Es gibt einen Verstärker, der die gesamte Umgebung dazu bringt, den markierten Mann umbringen zu wollen. Und es gibt das Flüstern, dessen Wirkung darin bestehen soll, möglichst viel Unheil anzurichten, wovon wir uns bald überzeugen können. Kein nettes Gerät, dieses „Flüstern“.

Das technische Schlaraffenland ist natürlich hart umkämpft zwischen einer Menschheitsorganisation namens Tangent und einem ihrer Abtrünnigen, der Pilgrim genannt wird. Pilgrim steckt denn auch hinter dem Überfall. Chase greift ein und rettet immerhin Paige, und eine wunderschöne Geschichte beginnt, bei der nicht nur zwei sich finden, sondern auch noch die Welt gerettet werden kann. Was will man mehr?

Welt retten heißt in diesem Fall, diesen Herrn Pilgrim zu jagen und dabei einige tausend Leute um die Ecke zu bringen. Hauptsache, die Beteiligten verlieren nicht ihr Ziel aus den Augen (Menschheit retten, Pärchen werden). Allerdings sind Menschheitsrettung und Liebesgeschichte am Ende auch nur Vorwände, damit Lee sein Panoptikum technischer Spielereien effektiv präsentieren kann und dabei auch noch das Blut spritzen lässt, was das Zeug hält.

Die wenigen Stationen (im Ganzen fünf, auf vier Schauplätze verteilt), die Beliebigkeit, mit der hier Leute abgeschlachtet werden, die Gewissenlosigkeit der Protagonisten, die sich nur mit Not noch als die Guten beweisen dürfen, verweisen darauf, dass Lee, angeblich als Drehbuchautor einst tätig, vor allem mit der Verfilmung als Blockbuster rechnet, auch wenn am Ende nur ein blutrünstiges B-Picture dabei herauskommen wird.

Es mag Leute geben, die sowas für rasant erzählt und brillant erdacht halten, dabei ist Lees Roman sehr offensichtlich auf dem Reißbrett entstanden und kalkuliert mit der selbstverständlichen Übertretung jeder Geschmacksgrenze. Für einen Science Fiction ist das Buch zu technikverliebt, für einen Thriller – trotz der Wendung zum Schluss – zu einfältig und durchsichtig, für einen Krimi zu schlecht.

Titelbild

Patrick Lee: Die Pforte. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010.
378 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783499254789

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