Konsolidierung einer neuen Herrschaftsform

Werner Dahlheim hat eine Biografie über Augustus vorgelegt: „Aufrührer, Herrscher, Heiland“

Von Klaus-Jürgen BremmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus-Jürgen Bremm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie beendet man einen Bürgerkrieg, ohne die meisten seiner Protagonisten auszutauschen oder gar zu beseitigen? Wie schafft man eine neue friedliche Ordnung mit denselben Akteuren, die sich zuvor jahrzehntelang einander erbittert bekämpft hatten? Und schließlich: Wie konnte ein Mann, der sich selbst erbarmungslos und mit kaltherzigem Kalkül an mörderischen Proskriptionen und massenhaften Enteignungen zugunsten seiner Soldateska beteiligt hatte, schließlich zum Friedensbringer und Heiland einer neuen Welt aufsteigen?

Dass selbst der vollständigste militärische Sieg allein dazu nicht reichte, hatte die Ermordung Cäsars im Senat deutlich gezeigt. Sein Adoptivsohn Oktavian musste daher nach seinem militärischen Erfolg gegen Antonius andere Wege beschreiten, um den mit seiner stetigen Expansion strukturell überforderten römischen Staat auf eine neue und zukunftsfähige Grundlage zu stellen. Nicht die verhasste Königsherrschaft eines Gaius Julius Cäsars, der wohl wie ein zweiter Alexander siegreich aus seinem großen Partherkrieg heimgekehrt sein würde, konnte die Lösung sein, sondern allein ein neuer Ausgleich zwischen Senat und Heerführer, zwischen der alten Adelsklasse und dem aus ihr herausragenden Befehlshaber gewaltiger und siegreicher Armeen.

Nur vordergründig blieb damit die alte Republik erhalten. Es war indes kein von Anfang an feststehendes Konzept, das den jungen Oktavian seinen am Ende überaus erfolgreichen Weg zum Principat beschreiten ließ, sondern ein vorsichtiges Tasten und Ausprobieren neuer Ämterkonstellationen, die scheinbar alle noch mit der sakrosankten republikanischen Verfassung vereinbar waren. Der Berliner Althistoriker Werner Dahlheim hat diesen Prozess der allmählichen Konsolidierung einer völlig neuen Herrschaftsform akribisch in seinen wichtigsten Facetten beschrieben. Jener ehrgeizige und zornige junge Mann, der vormals wie der geschmähte Catalina als Anführer einer marodierenden Soldatenhorde vor den Mauern Roms erschienen war und dem ausgerechnet Marcus Tullius Cicero, der gewesene Consul des Jahres 63, im Senat dafür ein militärisches Kommando verschaffte, erwies sich im Alter als der Schöpfer eines scheinbar neuen goldenen Zeitalters, das er durch Dichter wie Vergil als Erfüllung alter göttlicher Prophezeiungen verklären ließ. Dazu gehörte nicht nur die Entmilitarisierung Italiens oder eine imponierende Bautätigkeit, sondern auch ein Neubeginn im Verhältnis zu den Provinzen, deren Bewohner von Oktavians Standesgenossen bisher erbarmungslos ausgeplündert oder versklavt worden waren. Aus der republikanischen Wehrpflichtarmee formte er ein neues stehendes Heer, mit dem er die ausufernden Grenzen des Imperiums konsolidierte und somit den Krieg – nicht immer mit Erfolg – in die damals entlegendsten Regionen Europas exportierte.

Mit seiner beeindruckenden Biografie hat Dahlheim praktisch zwei grundverschiedene Leben beschrieben: Das des unbarmherzigen und kaltblütigen Bürgerkriegers Oktavian und jenes des gefeierten und schließlich in die Nähe der Götter entrückten Augustus, bei dem sich, selten genug, Taten und Propaganda schließlich die Waage hielten.

Titelbild

Werner Dahlheim: Augustus. Aufrührer, Herrscher, Heiland . Eine Biographie.
Verlag C.H.Beck, München 2010.
447 Seiten, 26,95 EUR.
ISBN-13: 9783406605932

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch