Jungensding

Elmore Leonard macht es in „Road Dogs“ ein bisschen zu cool

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Elmore Leonard gehört zweifelsohne zu den Großen des amerikanischen Krimis der Gegenwart, was er mit „Road Dogs“ ein weiteres Mal beweist. Der Roman hat alles, was zu einem typischen Leonard gehört: hartgesottene Jungs, schicke Mädchen, coole Dialoge und einen intelligenten Plot. Allerdings geht es mit Leonard in diesem Fall doch ein bisschen durch. Coole Jungens sind was feines, coole Mädchen auch, aber wenn dann alle ein bisschen zu cool sind, wird es am Ende doch langweilig.

Jack Foley, den in der Verfilmung eines Vorgängerromans („Out of Sight“) kein geringerer als George Clooney verkörperte (wer sonst?), lernt im Knast einen kleinen Kubaner kennen, den er vor den Nachstellungen seiner Knastgenossen beschützt.

Foley ist ein Prominenter im Knast – die 127 Banken, die er überfallen hat, macht ihm so schnell keiner nach. Und eine Berühmtheit zu sein, die auch noch blickt, wie es unter Brüdern so läuft, ist eine gute Sache.

Davon profitiert der kleine Kubaner, Cundo Rey, der sich seinerseits als Unterweltgröße entpuppt, und wie es sich so gehört, zahlt man auch unter Gangstern zurück, was man anderen schuldet: Cundo verschafft Foley eine Anwältin, die seine Haftstrafe drastisch reduzieren kann (von 30 Jahre auf 30 Monate). Kurz nacheinander kommen dann auch noch beide Jungs aus dem Knast, das neue Leben kann beginnen.

Denn draußen wartet seit acht Jahren eine Schönheit auf Cundo (Dawn), die ihn aber jetzt endlich um das erleichtern will, was er hat, nämlich sein Geld. Erst tut sie sich mit Foley zusammen (der zuerst rauskommt). Das neue Pärchen wird aber bald wieder gesprengt, als Cundo in Freiheit ist.

Jungs, die im Knast zusammengehalten haben, sind auch draußen nicht zu trennen. Deshalb beginnt Dawn ihre Aktion nun auf eigene Faust, und das Fiasko, aus dem der coole Foley mit gleichbleibender Eleganz wieder entkommen wird. Soviel sei verraten.

Genau darin aber besteht das Problem: Foley, der sich durch eine Unachtsamkeit, Dummheit und dadurch, dass er sich in eine FBI Agentin verliebt hat, hat schnappen lassen, bleibt jetzt sauber.

Auch wenn man ihm ans Leben will – mit Pistole oder auch anders – interessiert ihn das kaum. Er löst das Problem einfach und elegant, das heißt, er kommt lebend aus Situationen, in denen jeder andere untergegangen wäre: Den Nazi-Leibwächter Cundos streckt er beim Basketball nieder. Den Laufburschen Dawns lässt er auf der Terrasse eine Etage tiefer enden. Auf Dawns Attentat ist er bestmöglich vorbereitet. Dass ihn die Cops festnehmen, weil er – um ein Bankkonto zu eröffnen – eine Bank betreten hat, ist nur eine ironische Spitze: der Bankräuber als Bankkunde. Sehr witzig. Aber ganz im Ernst: So dumm, sein Geld unter dem Kopfkissen zu lagern, wird auch der dümmste Bankräuber nicht sein, erst recht nicht ein so intelligenter wie Foley.

Egal also, was passiert, Foley ist Herr der Lage und immer kühl und gelassen. Dass er Angst gehabt hat, wie einmal von ihm gesagt wird, glaubt man nicht. Dieser Mann (diese Figur) hat keine Angst. Dazu ist er viel zu cool.

So cool eben, dass er immer einen dummen Spruch auf Lager hat, dass er, wenn es darauf ankommt, Dinge ernst meint, und dass er für einen geschliffenen Dialog wohl alles machen würde, sogar in den Knast gehen.

Dass ihm ein FBI Agent auf den Fersen ist, der ihn auf frischer Tat ertappen will, wenn er wieder eine Bank ausraubt, beunruhigt Foley nicht besonders. Stattdessen plaudern Ex-Räuber und FBI Agent immer wieder sehr wortgewandt miteinander. Sie scherzen und trotzdem will der eine den anderen hinter Gittern sehen. Der andere will alles tun, damit das nicht geschieht.

Am Ende füllt sich Leonards Krimi mit so viel witzigen Dialogen, dass man sich fragt, wieso man im eigenen wirklichen Leben nicht auch so cool drauf ist – bis einem dann einfällt, dass das, was hier so witzig klingt, im Grunde auch nur furchtbar nervt.

So rückt denn die Krimihandlung mehr und mehr in den Hintergrund. Klar ist, dass sich Foley zwischen Dawn und Cundo entscheiden muss, klar ist auch, dass er sich so entscheiden wird, dass er fein raus ist. Alternativ entscheidet sich jemand anders so, dass Foley fein raus ist. Was denn auch passiert.

Am Ende ist Cundo tot, Dawn verschwunden, der Buchhalter Cundos überschreibt Foley ein 4-Millionen-Dollar-Haus, was als Schmerzensgeld für so viele verlorene Freunde auch ganz ansehnlich ist.

Das aber macht Leonards Roman doch nur zu einer jener schönen Rechnungen, die am Ende zu gut aufgehen, was man aber schon am Anfang ahnte, als man die Basisbedingungen (hier die Konstellation der Figuren) zur Kenntnis genommen hat. Die Überraschung aber, die zu Krimi gehören sollte, bleibt aus.

Bleibt also nur die Lust an der schönen Plauderei, die Leute, die wie Schaufensterpuppen daherkommen, miteinander hegen und pflegen. Das ist eben hübsch und unterhaltsam, aber meilenweit davon entfernt, was Leonard wirklich kann.

Titelbild

Elmore Leonard: Road dogs. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Conny Lösch und Kirsten Riesselmann.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2011.
303 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783821861197

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