Ehe(un)recht des BGB

Stephan Meder, Arne Duncker und Andrea Czelk haben eine kommentierte Quellensammlung zur juristischen Auseinandersetzung um die Rechtsstellung der Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 herausgegeben

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht wenige der jüngeren Generation reagieren mit ungläubigem Erstaunen, erzählt man ihnen, dass ein Mann bis in die Mitte der 1970er-Jahre hinein den Job seiner Frau gegen ihren ausdrücklichen Willen kündigen konnte. Zur Begründung reichte es etwa aus, dass sie den Haushalt nicht ordentlich führe, und schon hatte er das Recht auf seiner Seite. Denn genau so stand es noch immer im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das seit 1900 in Kraft war und mit ihm eben auch sein denkbar misogynes Ehe- und Familienrecht, das seit einem dreiviertel Jahrhundert bestand hatte. Damit – und das ist sicher nicht weniger überraschend – gehört das seinerzeitige Eherecht allerdings sogar noch zu den kurzlebigsten Teilen des Gesetzeswerks. Dass die schlimmsten sexistischen Auswüchse des Familien- und Eherechts endlich getilgt wurden, ist der Zweiten Welle der Frauenbewegung zu verdanken, die in den 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Gipfelpunkt ereichte. Ihre Vorgängerin, die Erste Frauenbewegung, hatte bekanntlich Ende des vorletzten Jahrhunderts begonnen, das Land zu ergreifen. Also just zu der Zeit, in der das BGB ausgearbeitet wurde, dessen umstrittenster Teil schon damals das von dem Hannoveraner Richter Gottlieb Planck (1824-1910) verfasste Familien- und Eherecht war. Auch die damaligen Feministinnen liefen selbstverständlich schon gegen das Gesetz Sturm – wie man weiß, leider erfolglos.

Ein von Stephan Meder, Arne Duncker und Andrea Czelk herausgegebener Band mit dem Titel „Die Rechtsstellung der Frau um 1900“ hat nun eine umfangreiche Quellensammlung zu dieser frühen Auseinandersetzung um das Familien- und Eherecht des BGB herausgebracht und die Dokumente mit ausführlichen Kommentaren versehen. Der aus dem Projekt „Reformforderungen zum Familienrecht und zur Stellung der Frau in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik“ hervorgegangene Band dürfte mit einem Preis von 179 Euro zwar für private Anschaffungen allzu kostspielig sein, doch sollte er in keiner einschlägigen öffentlichen Bibliothek fehlen. Denn sein reichhaltiger Quellenfundus wird künftige Forschungen zweifellos sehr erleichtern.

Die den Dokumenten jeweils vorangestellten Kommentare sind in aller Regel ebenso kenntnis- wie hilfreich. Zu monieren bleiben allerdings die gelegentlich ungleichen Bewertungen historischer Persönlichkeiten, wie sie sich implizit in den Kommentaren ausdrücken. So wird etwa Anita Augspurg – zu Recht – nicht nur ausführlich vorgestellt, sondern der sie betreffende Kommentar mit einer längeren Liste des Sekundärschriftentums versehen. Dass der Kommentar zu der sicher nicht weniger relevanten Feministin Hedwig Dohm etwas kürzer ausfällt, mag angehen. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass darauf verzichtet wurde, auch nur die wichtigsten Arbeiten zu ihrem Wirken zu nennen.

Titelbild

Stephan Meder / Arne Duncker / Andrea Czelk (Hg.): Die Rechtsstellung der Frau um 1900. Eine kommentierte Quellensammlung.
Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2010.
1105 Seiten, 179,00 EUR.
ISBN-13: 9783412205775

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch