Praktische Vorschläge zur „Entpatrifizierung“ des Deutschen – Luise F. Pusch bringt in ihren sprachkritischen Glossen die deutsche Sprache „auf Vorderfrau“

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit einigen Jahren erscheinen im Wallstein Verlag regelmäßig die neuesten Glossen von Luise F. Pusch, die in den 1970er- und 1980er-Jahren gemeinsam mit Senta Trömel-Plötz im deutschen Sprachraum die feministische Linguistik begründete. Bot Pusch 2008 Erhellendes über „die Eier des Staatsoberhauptes“ und erklärte ein Jahr später, was es mit dem Ja-Wort des (hoffentlich) letzten lebenden deutschen Kaisers auf sich hat, so bringt sie diesmal bereits im Titel die deutsche Sprache „auf Vorderfrau“.

Wie bei der Autorin kaum anders zu erwarten, waren die Glossen der beiden vorangegangenen Bände nicht nur humorvoll, sondern zeichneten sich zudem durch ihre Kritik am maskulinistischen Herrendeutsch aus. Anders als bisher sind die nun vorliegenden Glossen im Untertitel des neuen Buches sogar ausdrücklich als sprachkritisch ausgewiesen. Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Pusch beantwortet sie im Vorwort: Der Band bietet nicht nur all das, was bereits die beiden vorherigen auszeichnete, sondern darüber hinaus zahlreiche „praktische Vorschläge für die Entpatrifizierung“ der deutschen Sprache, indem er etwa „Lücken im Wortschatz“ schließt, zu „kreativem Widerstand gegen sprachliche Diskriminierungen“ anregt und „Wurzelbehandlungen“ mit dem Instrumentarium feministischer Etymologie empfiehlt.

In den über fünfzig Glossen fragt Pusch, ob alle Menschen Lesben sind und ob es überhaupt männliche Säugetiere geben kann, sie wirft einen Blick auf die „geschlechtsneutralen Schweizer“, sucht und findet „ein anderes Wort für ‚Ehrenmord‘, begegnet auf einem Treffen zum internationalen Tag der Frau zu ihrer Überraschung „Frauinnen“ (allerdings nur im plakatierten Cartoon eines Mannes, dem sie bescheinigt, etwas „Nachhilfe in Sachen Frauensprache“ zu benötigen) und berichtet von der freudvollen Arbeit an der „Feminisierung unseres Alltags“.

Dabei ist sie sich stets bewusst, dass es – frei nach Theodor W. Adorno – „keine richtige Sprache in der falschen gibt“ und daher selbst die frauenbewussteste Sprache „nicht ohne Tücken“ ist.

R.L.

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Titelbild

Luise F. Pusch: Deutsch auf Vorderfrau. Sprachkritische Glossen.
Wallstein Verlag, Göttingen 2011.
140 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783835308633

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