Schuss in den Ofen

Michael Sontheimer erzählt eine „kurze Geschichte der Roten Armee Fratkion“

Von Stefan SchweizerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Schweizer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Leserinnen und Leser, welche sich nach wie vor mit dem geschichtlichen Phänomen des deutschen Linksterrorismus beschäftigen, dürfen vor der Anschaffung eines Buchs berechtigt nach dem möglichen Lektüreertrag fragen. Michael Sontheimers „‚Natürlich kann geschossen werden‘ – Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion“ bietet leider keine neuen Erkenntnisse in Sachen RAF. Vielmehr kommt man nicht umhin, nach der Lektüre ernüchtert festzustellen, dass das Buch kaum mehr als ein Aufguss der bereits vorhandenen, zahllosen RAF-Bücher ist.

Neue Erkenntnisse? Fehlanzeige. Kurras und die Stasi werden kurz erwähnt, Beckers mögliche Verbindungen mit deutschen Geheimdiensten bleiben weitgehend im Dunkeln. Zudem fragt sich, welche Selektionskriterien der Autor bei seiner Darstellung herangezogen hat. Beanspruchen die erste und zweite RAF-Generation über 75% des Buchvolumens, wird die dritte RAF-Generation eher stiefmütterlich behandelt. Gerade aber bei dieser gäbe es noch Nachholbedarf. Für Neueinsteiger in das Thema RAF bietet das Buch einen kompakten Überblick, ansonsten ist es eher unbrauchbar und ärgerlich.

Das Buch wirft auch Fragen hinsichtlich des Lektorats und Verlags auf. Wie kann ein solches Buchprojekt, welches wie aufgezeigt kaum innovative Momente besitzt, überhaupt angenommen werden? Es scheint, als wollte der Verlag schnell ein paar Euro machen und auf dem RAF-Markt die Kühe melken, die noch Milch geben.

Wie die RAF-Geschichte gehaltvoll und mit neuen Erkenntnissen aufgearbeitet werden kann, zeigt etwa jüngst Wolfgang Kraushaars „Verena Becker und der Verfassungsschutz“. Dieses Buch bringt in mustergültig in historisch-detektivischer Kleinarbeit mögliche Verbindungen der RAF-Frau zu bundesdeutschen Geheimdiensten auf. Hier wurden neue Dokumente ausgewertet und die diesbezüglichen Erkenntnisse in Hypothesen formuliert. Ebenso sei ein historisch-biografisches Buch lobend erwähnt, welches nur peripher etwas mit der RAF zu tun hat. Willi Winklers „Der Schattenmann“ rekonstruiert beispielhaft das Leben François Genouds, die Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland, den schwelenden Neo-Nazismus und die weitreichenden Verflechtungen des internationalen, arabischen Terrorismus.

Es ist also durchaus möglich, zum Themenkomplex Linksterrorismus noch etwas Neues zu sagen. Ob das dann allerdings massentauglich ist und hohe Gewinne verspricht, steht auf einem anderen Blatt.

Titelbild

Michael Sontheimer: Natürlich kann geschossen werden. Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010.
250 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783421044709

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