Krieg ist erfinderisch

Der von Ralf Beil und Antje Ehmann herausgegebene Band „Serious Games“ zeigt Arbeiten über Krieg, Medien und Kunst

Von Andreas HudelistRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andreas Hudelist

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Serious Games“ war der Titel einer Ausstellung, welche anlässlich der Vergabe des Kunstpreises der Stadt Darmstadt an Harun Farocki kuratiert wurde. Damit verbunden ist auch die gleichnamige Publikation, die den multimedialen Diskurs der Ausstellung in einer Textmontage als Buch zusammenzufassen versucht.

Dabei spürt man von A bis Z dem Themenkomplex nach und zeigt anhand von verschiedenen Kunstschaffenden unterschiedliche Zugänge und Werke. Im Vordergrund steht jedoch immer die aufgelöste Grenze zwischen Kriegs- und Medienrealität. Viele Beispiele zeigen wie der Schauplatz des Krieges auch Schauplatz der Medien ist. So zum Beispiel die Besuche von Karl-Theodor zu Guttenberg, welcher auf seinen vielen Truppenbesuchen nicht nur dem einen oder anderen Soldaten die Hand schüttelte, sondern sich auch in Transportflugzeugen oder an Außenposten mit Soldaten abbilden ließ. Dabei wirkt er oftmals wie ein Fremdkörper und die mediale Inszenierung entfaltet sich durch sein Aussehen (Anzug und Krawatte) als Schauspiel. Die Arbeiten von Martha Rosler aus der Serie „Bringing the War Home“ spielen mit diesen Inszenierungen und holen das Kriegsambiente in das eigene Heim beziehungsweise zeigen unsere Alltagspraxen am Kriegsschauplatz.

Da nicht alle 26 Künstler angemessen an dieser Stelle diskutiert werden können, sollen im Folgenden ein paar Beispiele einen Einblick in die künstlerischen Zugänge der Thematik geben. Denn eindrucksvoll ist die Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten, welche von den Knüpfarbeiten Afghanischer Kriegsteppiche über geschnitzte Holzobjekte bis zu den Videodarstellungsweisen von Gewaltzonen in Computerspielen reichen. Dabei sind die Beschreibungen und Erläuterungen immer zweisprachig auf Deutsch und Englisch zu lesen. Das Alphabet beginnt bei Achtung beziehungsweise Attention und führt bis in die Zonen der Gewalt beziehungsweise Zones of Conflict. Alle künstlerischen Schöpfungen reflektieren die Wahrnehmung des Krieges und führen dem Leser unterschiedliche Geschichten der Kriegsbeteiligten vor Augen. So zum Beispiel die Thematisierung des Spiels „Quest for Saddam“ (Jagd auf Saddam). Der Künstler Wafaa Bilal projeziert mit einer Gegengeschichte „The Night of Bush Capturing. A Virtual Jihadi“ (Die Nacht, in der Bush gefangen genommen wurde. Ein virtueller Dschihad) die Vorurteile und Verallgemeinerungen auf die amerikanische Gesellschaft zurück. Ihm ist der Dialog zwischen den Kulturen wichtig, welcher für eine friedliche Auseinandersetzung unumgänglich ist. Er zeigt zudem wie schnell man gewaltbereit sein kann und konfrontiert uns somit mit unserem eigenen Rassismus.

Das Alphabet zu Krieg, Medien und Kunst macht deutlich, dass die Alltagswelt bereits militarisiert wurde. Viele der Techniken, welche für das Militär erschaffen wurden, verwendet man nun im alltäglichen Tagesablauf. Kriegsrealität und Zivilleben sind in der Technik schon längst ineinander übergegangen. Soldaten werden mittels digitaler Spiele auf den Kriegsschauplatz vorbereitet und traumatisierte Heimkehrer werden mit digitalen Kampfszenen konfrontiert, damit sie mit ihren Erfahrungen umzugehen lernen können.

Insgesamt gesehen ist das Buch eine spannende Lektüre der Kritik und Reflexion und viele Beiträge arbeiten für die Transparenz und gegen das Vergessen

Titelbild

Ralf Beil / Antje Ehmann (Hg.): Serious games. Krieg-Medien-Kunst / War-Media-Art.
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, Deutschland 2011.
208 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783775729918

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