Am Abgrund

Eine aufwendig gestaltete Neuauflage von Edgar Allan Poes Erzählungen „Ein Sturz in den Malstrom“ kombiniert ihre ausgefallene Typografie mit einem Text Charles Baudelaires

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Viele Schriftsteller der Moderne werden einzig und allein durch ihr Werk zu etwas Besonderem, als Personen sind sie unauffällig und beinahe langweilig. Doch was für die meisten gilt, ist nicht zwangsläufig auf alle anzuwenden. Der amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe hatte ein Leben, das mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod immer noch sehr unterschiedliche Emotionen und Reaktionen hervorruft.

Die in der vorliegenden Publikation abgedruckte Poe-Erzählung „Ein Sturz in den Malstrom“ handelt von einem Fischer, der durch ein traumatisches Erlebnis vorzeitig gealtert ist. Während einer riskanten Ausfahrt gerät sein Schiff mitsamt seiner Familie in den Einflussbereich eines gefährlichen Strudels, der von den Einheimischen „Moskoestrom“ genannt wird. Nur der Erzähler der Geschichte, der Fischer, bleibt am Leben, da er in seiner Not eine naturwissenschaftliche Betrachtung anstellt, die den Auftrieb von unterschiedlichen Objekten betrifft.

Der Geschichte direkt gegenübergestellt, oder besser gesagt auf der unteren Hälfte der Seiten abgedruckt, wurde in der Publikation der bekannte Text „Edgar Poe, Sein Leben und seine Werke – Eine Studie“ von Charles Baudelaire. Damit wurde nicht nur die Stimme eines zeitgenössischen Lesers und Bewunderers eingefangen, sondern auch ambivalente Einschätzung des Lebens und des Lebenswandels des Autors.

Als dritte Komponente kommt die grafische Gestaltung des Bands ins Spiel. Die ersten und letzten 26 Seiten des Buchs bestehen aus sogenannten Schrift-Decollagen. Das Schriftbild des Buchtitels wird immer mehr zerstört und verfremdet, was laut Angaben des Verlags das Empfinden des Schreckens und Entsetzens widerspiegeln soll, das sich bei der Lektüre des Werks einstellt.

Jede Erzählung von Edgar Allan Poe ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte unzählige Male gedruckt worden. Um nach all dieser Zeit einen etwas differenzierteren Blick auf seine Werke und sein Leben zu ermöglichen, muss man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Genau das hat der Wallstein Verlag mit seiner aktuellen Ausgabe von „Ein Sturz in den Malstrom“ versucht. Ob dieser Ansatz allerdings einen Preis von beinahe 30 Euro wert ist, muss der einzelne potenzielle Leser selbst entscheiden. Denn möglicherweise kann nicht jeder etwas mit dem Format der Publikation anfangen.

Titelbild

Edgar Allan Poe: Ein Sturz in den Malstrom.
Mit einer Studie von Charles Baudelaire.
Übersetzt aus dem Englischen von Hans Wollschläger.
Wallstein Verlag, Göttingen 2011.
96 Seiten, 29,00 EUR.
ISBN-13: 9783835308794

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