Ein grotesker Sonderling

John Kennedy Tooles Roman „Die Verschwörung der Idioten“ präsentiert einen der originellsten Helden der amerikanischen Literatur

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der Fettwanst mit der grünen Mütze“ – das ist Ignatius Reilly für die braven Bürger von New Orleans. Der kugelrunde Kopf mit der viel zu kleinen grünen Jagdmütze ist für die Leute das Signal für Ärger und Wutanfälle. Ignatius, der sich mit jedem streitet, ist bekannt für seine Ausraster. Selbst mit der Polizei legt er sich an und beschimpft Gott und die Welt.

Der „Wirrkopf von Gottes Gnaden“ schreibt beleidigende Pamphlete und führt ein „Tagebuch eines Jungproletariers“. Allein seine verwitwete Mutter hält zu ihrem pedantischen und überheblichen Sohn. Doch ausgerechnet von ihr wird er gezwungen, sich endlich nach einem Job umzusehen.

Reillys berufliche Odyssee beginnt zunächst im Büro einer heruntergekommenen Hosenfabrik, wo er allerdings die anfallenden Büroarbeiten mit Hilfe des Papierkorbs erledigt. Außerdem zettelt er unter den schwarzen Fabrikarbeitern eine Revolte an. Die nächste Station seiner „Berufslaufbahn“ ist ein fahrbarer Würstchenstand, mit dem er Hotdogs im French Quarter von New Orleans verkauft. Doch das Geschäft läuft mehr schlecht als recht, denn als Nimmersatt ist Ignatius selbst sein bester Kunde.

Nach dieser Bruchlandung wechselt Ignatius ins politische Fach und gründet eine Partei, die Partei der Sodomiten, mit der er Sex und Politik auf einen Nenner bringen will. Dabei gerät er in einen kriminellen Handel mit pornografischen Bildern. So stolpert er auch hier von der einen grotesken Situation in die nächste. Kein Wunder also, dass er scheitert, schließlich ist er nur von Idioten umgeben. Ein Teufelskreis, aus dem ihn schließlich Fortuna befreit.

John Kennedy Toole (1937-1969) schrieb „Die Verschwörung der Idioten“ 1963 während seines Militärdienstes. Innerhalb eines halben Jahres tippte er den Roman in einem atemberaubenden Tempo in eine geliehene Schreibmaschine. Der 25-jährige Toole, der ebenfalls egozentrisch war und jahrelang unter Übergewicht litt, war bei der Niederschrift recht optimistisch.

Und tatsächlich interessierte sich ein großer New Yorker Verlag für das Manuskript, doch der (jüdische) Lektor wollte grundlegende Änderungen vornehmen. Daraufhin begrub Toole das Manuskript in einer Schublade und holte es nie wieder hervor. Der werdende Autor war am Boden zerstört, er ergab sich seinem verletzten Stolz. Das Scheitern seiner „Idioten“ führte er schließlich auf eine jüdische Verschwörung zurück. Zusätzlich kamen heftige Streitereien mit seiner Mutter und so setzte Toole am 26. März 1969 seinem Leben ein Ende.

Fünf Jahre später entdeckte Tooles Mutter das Manuskript und schickte es an zahllose Verlage. Mit ihrer Hartnäckigkeit wurde sie bald zum Schrecken aller Verlagsleute. Erst 1980 veröffentlichte ein kleiner Verlag, der eigentlich auf wissenschaftliche Fachliteratur spezialisiert war, den Roman. Bereits ein Jahr später wurde „Die Verschwörung der Idioten“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Es war das erste Mal, dass ein Autor diese wichtigste literarische Auszeichnung der USA posthum erhielt.

Danach traten „Die Verschwörung der Idioten“ und sein origineller Hauptheld Ignatius Reilly, der oft als fetter Don Quijote bezeichnet wird, ihren Siegeszug an. Bisher wurde der Roman in fast zwanzig Sprachen übersetzt und weltweit in über 1,5 Millionen Exemplaren verkauft. Darüber hinaus zählt John Kennedy Toole heute zu den Klassikern der sogenannten Südstaaten-Literatur. Nun liegt dieser moderne Schelmenroman, der deutlich autobiografische Züge trägt, auch in deutscher Sprache vor. Ein rasanter Lesespaß.

Titelbild

John Kennedy Toole: Die Verschwörung der Idioten. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Alex Capus.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011.
462 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783608939002

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