Alles gefriert

Ein überzeugender Debütroman: Constantin Göttfert zeigt in „Satus Katze“, dass er auch die lange Form beherrscht – mehr noch, sein Roman ist ein Meisterwerk filigraner Erzählkunst

Von Fabian ThomasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Thomas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dieser eisige Roman beginnt an einem schönen Sommertag in Wien: Der Erzähler sitzt – wie sollte es anders sein – im Kaffeehaus und beobachtet eine junge Dame, die auf Finnisch telefoniert. Doch damit hat es sich schon mit dem Unverfänglichen: Constantin Göttferts Roman „Satus Katze“ lässt das beschauliche Österreich so schnell wie möglich hinter sich und katapultiert den Leser in eine fremde Welt, die von Alkohol und Gewalt bestimmt ist.

Die Anfangsszene steht am Ende der Erlebnisse des Erzählers im finnischen Oulou, wo er ein Stipendium antreten sollte, aber in Eis und Schnee mehr und mehr den Boden unter den Füßen verliert: Eine Literaturprofessorin drängt ihm ein mysteriöses Manuskript auf und bewegt ihn dazu, mit ihr auf eine entlegene Insel zu fahren: Dort solle er mehr über den geheimnisvollen Satu erfahren, dessen Erinnerungen er liest. In diesen spielt tatsächlich eine schwarze Katze – daher der Titel – eine nicht unwichtige Rolle, die seinen Eltern eines Tages zugelaufen ist und auch später dem Vater, der allein und alkoholkrank in einer Hütte auf besagter Insel hinwegdämmerte, nicht von der Seite wich.

Göttfert hat sich eingehend mit der finnischen Mythologie, der Kalevala, beschäftigt, was lange Exkurse über blutige Schlachten und riesige Katzen zeigen. Er beweist, bereits eine Stärke in seinem Erzählband „In dieser Wildnis“, eine gute Hand bei Stoff- und passender Motivwahl. Die Katze, so zeigt es sich nämlich bald, ist nicht nur ein Teil von Satus Familiengeschichte – denn wie der Erzähler unter dem Einfluss von zahlreichen Gläsern Finlandia Vodka auf der Insel erfährt, floh Satu vor seiner düsteren Gegenwart ins ferne Österreich, wo sein Theaterstück aufgeführt wurde, in dem er seine Erlebnisse – inklusive der Katze – verarbeitete. Später wird der Erzähler feststellen, dass die junge Dame im Kaffehaus Satus Geliebte und Schauspielerin in eben diesem Stück war.

Aber zurück ins eisige Finnland: Eine weitere Stärke dieses Romans, dessen filigrane Konstruktion wie ein tickendes Uhrwerk funktioniert, ist die Darstellung der klimatischen Zustände im winterlichen Oulou: Der Erzähler kämpft sichtlich mit dem Minustemperaturen, die es nicht erlauben, ohne Kopfbedeckung, ja nicht einmal mit Spuren von Wasser im Gesicht das Haus zu verlassen. Alles gefriert, selbst die Poren in der Haut zerplatzen und hinterlassen hässliche rote Flecken. Der plötzliche Kältetod eines seiner Hausbewohner schließt den Kreis zur Geschichte von Satus Katze: Als eine ältere Dame offenbar lebende Katzenjunge in der Mülltonne entsorgen will, greift der Österreicher ein und nimmt die Brut zu sich. Eines der Katzenkinder überlebt, zumindest eine Zeit lang, aber das andere muss er doch wegschaffen. Dabei wird er von seinem Mitbewohner überrascht, der ihm – sturzbetrunken und nicht mehr Herr seiner Sinne – den Plastiksack abnehmen will. Am nächsten Tag ist er tot, erfroren, und in seinem Zimmer werden zahlreiche gebleichte Tierknochen entdeckt, mit denen er einen kleinen Internethandel betrieben hat.

Die Katzenjungen dagegen, erfährt man nun im Rückblick, wieder im warmen Österreich, waren nichts anderes als Junge der einen Katze, um die sich Satus Familiengeschichte rankte: Die alte Frau, der der Erzähler die Neugeborenen abgenommen hat, war Satus Großmutter. Und die Katze? Bleibt verschwunden.

Titelbild

Constantin Göttfert: Satus Katze. Roman.
Verlag C.H.Beck, München 2011.
138 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783406621642

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch