Softkrimi

Regula Venske macht auf deutschsprachige Agatha Christie. Leichtigkeit, Witz und Plauderton sind aber nicht leicht herzustellen, wie auch ihr Roman „Ein allzu leichter Tod“ demonstriert

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Geschichte der Kriminalliteratur werden von einzelnen Autorinnen und Autoren immer wieder neue Formate begründet, die von ihren Nachfolgern aufgenommen und weiterentwickelt werden. Das heute wohl erfolgreichste Format ist sicherlich der von Chandler und Hammett begründete Hardboiled-Krimi, der sich als höchst wandlungs- und anpassungsfähig erwiesen hat.

Edgar Allan Poe und Arthur Conan Doyle als Begründer des hermeneutischen Krimis und Agatha Christie als wohl vornehmste Vertreterin des englischen Plauderkrimis haben gleichfalls basale Formate des Genres geprägt, deren Erfolg nicht minder groß ist.

Allerdings hat der Krimi in der Nachfolge Agatha Christies in den letzten Jahren deutlich an Boden verloren. Eine angenehme und intelligente Plauderei passt eben nicht zu den Serienkillern, Vergewaltigern und Päderasten, die das Genre mehr und mehr prägen. Der Erfindungsreichtum der Autoren – und hier tun sich skandinavische Autoren besonders hervor – in Sachen Mordverfahren führt zu immer extremeren Ergebnissen, was mit einem gehörigen Schuss Kulturpessimismus gewürzt wird.

Zwar kann auch ein Pessimist angenehm plaudern – gerade dieser Typus ist dafür prädestiniert. Aber wo der Schock keine Grenzen mehr kennt, ist eine zivilisierte Gesellschaft, die Grundlage für ein angenehmes Gespräch ist, nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil, mit den Schreckensszenarien der jüngeren harten Krimis soll ja gerade das Ende der Zivilgesellschaft eingeläutet werden.

Als Reaktion darauf weichen die Plaudereien solcher Krimis ins Harmlose und Amüsante aus. Wo die Protagonisten vom Schrecken reden, findet sich stattdessen vielleicht ein Schreckchen oder auch nur ein müder Scherz.

Regula Venske gehört offensichtlich zu jenen Autorinnen und Autoren, die sich nicht mit jedem neuen Roman darin zu übertreffen suchen, dass alles noch grausamer und blutrünstiger zugeht, was ihr gutzuschreiben ist.

Ja, auch sie lässt die eine oder andere ihrer Figuren über die Klinge springen. Aber sie reißt lieber ein Witzchen, als dass sie noch mehr Blutlachen hinterlässt als beim letzten Mal. Auch das Aufklärungsverfahren, das in der Regel den zwar verkrachten aber kompetenten Helden fordert, ist bei ihr vor allem Nebensache.

Dafür mag es in der Tat Liebhaber geben. Nicht jeder, der Krimis liest, will sich gruseln. Ein guter Plott, die nötige Leiche, die auch einigermaßen originell um die Ecke gebracht worden sein darf, ein paar einigermaßen gut gelaunte Ermittler, Überraschungen, die nicht allzu groß sein dürfen – und das alles garniert mit dem Geplapper von Erzähler und Figuren, die gerne einmal kieksen, wenns prekär wird, aber in der Regel die schwachen Nerven zu wahren wissen, um am Ende immerhin den oder die Täter zu finden.

Gegen so etwas ist nicht viel zu sagen. Wem es gefällt, der wird auch daran Spaß haben, und so gibt Frau Venske denn auch denen das Futter, das sie brauchen, die danach verlangen. Aber mit dem demselben Argument lassen sich auch Fantasy-Romane, „Wetten dass?“ und Gummibärchen legitimieren.

Mit Spannung oder Absurdität – wer hat das auf WDR 4 behauptet? – haben Venskes Krimis aber kaum etwas zu tun. Sie sind eher leichte Kost für kaum belastbare Lesemägen, angereichert mit einem dünnen Plott und mit matten Scherzen, die keineswegs durch die einigermaßen uninspirierten Dialoge gerettet werden.

Auch dass die „Garstigen Greise“, die das Hauptpersonal in „Ein allzu leichter Tod“, stellen, sich darin gefallen, einander Kindergartenlieder vorzuträllern – „Schornsteinjäger ging spazieren“, whow – ist kaum als Rettung von vom Untergang bedrohten Kulturgut denkbar. Sollen sie doch untergehen.

Und der Plot? Einen Greis, der seine Jugendliebe trifft, mit Viagra umzubringen, ist hinreichend originell (muss ein Tipp aus dem Arzneipackzettel sein). Die wichtigste Protagonistin ein paar Tage in eine Kirche einzusperren, um sie dann durch einen Geheimgang entkommen zu lassen – auf die Idee muss man erst einmal kommen. Aber wem auch immer dafür zu danken ist: Danke, dass man diesen Geschmack nicht teilen muss.

Titelbild

Regula Venske: Ein allzu leichter Tod. Kriminalroman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010.
256 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461983

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