Ein Audiokommentar in Buchform

Fatih Akin erzählt in „Im Clinch“ von sich und seinen Filmen

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vereinnahmen lässt er sich nur ungerne: „Ich bin Hamburger“, antwortet Fatih Akin zumeist auf die Frage, ob er denn nun ein typisch deutscher oder ein typisch türkischer Filmemacher wäre. Auch sein Œuvre lässt sich nicht auf ein bestimmtes Genre reduzieren, auf seinen ersten Langfilm „Kurz und Schmerzlos“, einen Krimi, folgte die Komödie „Im Juli“, nach den ernsten Filmen „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ drehte er eine Musikdokumentation und zuletzt seinen „Hamburger Heimatfilm“ „Soul Kitchen“. Nicht zuletzt diese Vielseitigkeit macht Akin zu einem der wichtigsten Regisseure des deutschen Gegenwartskinos, der auch international Erfolge vorweisen kann.

Dass ihm diese Erfolge keinesfalls einen überaus kritischen Blick auf sein eigenes Werk verstellen, merkt man, wenn man sich die Audiokommentare der DVD-Veröffentlichungen anhört. Die sonst in diesem Genre übliche Lobhudelei hält sich in angenehmen Grenzen, die Anekdoten verraten einiges über die Entstehung der Filme und jeder kleine technische Fehler wird von ihm selbst schonungslos aufgedeckt. Der jüngst bei Rowohlt erschienene Band „Im Clinch. Die Geschichte meiner Filme“ ist eine Art Buchvariante dieser Kommentare, die Herausgeber Volker Behrens und Michael Töteberg interviewten Fatih Akin für diesen Band mehrfach. Im lockeren Plauderton erzählt der Regisseur zunächst von sich und seiner Familie, über seine frühen Erfahrungen mit selbst kopierten Videofilmen und von seinen ersten filmischen Gehversuchen während seines Studiums an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Das Ganze ist dabei weitaus interessanter als so manche vollkommen belanglose Frage à la „Was hattest du für Poster in deinem Zimmer?“ befürchten lässt, denn Akin umschifft die größten Trivialitätsklippen mit leichter Hand und reflektiert beinahe nebenbei über Integration und Politik.

Die Kapitel zu den einzelnen Filmen sind bisweilen zwar recht knapp gehalten, aber dennoch überaus informativ. Ganz uneitel schildert Akin etwa im Abschnitt zu „Solino“, passenderweise mit „In der Cinema-Paradiso-Falle“ betitelt, die Schwierigkeiten, die er immer noch mit seinem Film über eine italienische Einwandererfamilie hat: dieser wäre „durchwachsen […], mit vielen Schwachstellen“. Ein Film, der ein „Meisterwerk [hätte] werden können“, dessen Scheitern aber auch erst den Gedanken aufwarf, einen Film zu drehen, der eben keine Kompromisse eingeht. Den Plan verwirklichte Akin dann zwei Jahre später mit „Gegen die Wand“: Bei „Solino“ war alles völlig problemlos – „Gegen die Wand“ war das genaue Gegenteil. Einen „Tanz auf der Rasierklinge“ nannte Andreas Thiel, einer der Produzenten, die Dreharbeiten des Films. Birol Ünel machte seinem Ruf als schwierige Person alle Ehre, die unerfahrene Sibel Kekilli konnte nur auf ausdrücklichen Wunsch Akins besetzt werden. Aber auch hier nutzt Akin das Interview nicht dazu, um lediglich ein paar Anekdoten hervorzukramen. Ein paar Worte zu einem Streit mit Ünel, noch weniger zu Kekillis Porno-Vergangenheit, dann hat es sich auch schon mit den Klatschgeschichten, Akin spricht wieder übers Filmemachen, über Kamera und Licht, über seinen Umgang mit Musik.

Und genau darin liegen die Stärken des Buches, wenn es sich auf die Arbeit an den Filmen konzentriert. Denn Akin ist ein Kinoverrückter, der unzählige Szenen und Bilder in seiner Erinnerung präsent hat, sich mit den künstlerischen Prozessen genau auseinandersetzt und hin und wieder gerne Hommagen an seine Vorbilder in seine Werke einbaut – man denke etwa „Kurz und Schmerzlos“ und seine deutlichen Verweise auf die frühen Filme Martin Scorseses.

Auch eine locker-leichte Komödie wie „Soul Kitchen“ oder „Im Juli“ zu drehen, ist, wie Akin zeigt, harte Arbeit, dabei „sehr kleinteilig“ und überaus anstrengend, ganze Szenen werden im Schnitt umgestellt, neu gedreht oder fallen Kürzungen zum Opfer. Doch selbst in diesen Passagen zeigt sich, wie sehr er das Filmemachen liebt, wie gerne er über das Kino – vor allem auch über die Filme von anderen – spricht und welche Leidenschaft in ihm steckt.

Der Intervieband „Im Clinch“ – ein nicht sonderlich passender Titel, nebenbei bemerkt – ist so vor allem auch ein Plädoyer für einen lustvollen Umgang mit dem Kino, für den Mut, Filme, gegen den Strich zu drehen. Und man kann gespannt sein, was die Zukunft an neuen Akin-Werken bringen mag.

Titelbild

Fatih Akin: Im Clinch. Die Geschichte meiner Filme.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011.
256 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783498006693

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