Durch den Willen zur Anpassung zum Scheitern verurteilt
Mario Vargas Llosa und der Fotograf Xavier Miserachs haben für den Roman „Die jungen Hunde“ zusammengearbeitet
Von Andreas Hudelist
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseZwischen Bild und Text, Fotografie und Literatur, Mario Vargas Llosa und Xavier Miserachs entfaltet sich die Geschichte „Die jungen Hunde“. Obwohl die Suhrkamp-Ausgabe den Fotografien Llosas Text voranstellt – Mario Vargas Llosa: Die jungen Hunde. Erzählung. Mit Fotografien von Xavier Miserachs – könnte das Buch auch den Fotografen zuerst nennen: Xavier Miserachs: Die jungen Hunde. Fotografien. Mit einer Erzählung von Mario Vargas Llosa. Letztere Variante ist jedoch dann genauso unglücklich gewählt wie erstere. Deshalb sollte die Geschichte beider Medien (Literatur und Fotografie) im Vordergrund stehen, da sich Llosas und Miserachs’ Ausdrucksformen kongenial ergänzen.
So beginnt die Erzählung mit Fotografien von lachenden Protagonisten. Noch laufen die Jugendlichen auf dem Fußballplatz, hinter dem Tor vorbei, umzingeln den Fußballtisch oder belagern einen Süßigkeitenstand mit Fußbällen in der Hand. Das literarische Pendant: „Noch trugen sie kurze Hosen in dem Jahr, noch rauchten wir nicht, Fußball war ihr Lieblingssport, Wellenreiten lernten wir gerade und den Hechtsprung vom Dreimeterbrett im Terrazas, sie waren übermütig, glatthäutig neugierig, flink unbändig.“
Die jungen Hunde, welche Llosa beschreibt, heißen Cuéllar – der bald den Kosenamen Pichulita bekommen wird – Choto, Chingolo, Manuco, Lalo, Chabuca und China. Der Protagonist dieser Bande ist Cuéllar. Als Neuling in der Schule, versucht er allen Wünschen und Forderungen gerecht zu werden. So bleibt er nicht lange der Unwissendste in der Klasse, sondern wird zum erfolgreichen Streber. Auch äußerlich durchlebt Cuéllar eine Verwandlung und wächst vom Kleinsten zu den fünf Größten. Nach der Schule erobern sie das Fußballfeld und danach die Straßen.
„Inzwischen trugen sie lange Hosen, wir kämmten uns mit Gel, sie hatten sich entwickelt, vor allem Cuéllar, der vom Kleinsten, Mickrigsten der fünf zum Größten, Stärksten geworden war. Hast dich zum Tarzan gemausert, Pichulita, sagten wir, mit jedem Tag ein strammerer Kraftprotz.“
Obwohl Cuéllars Anpassung in Schule und Sport nicht sonderlich schwer fällt, muss er bald merken, dass er es außerhalb dieser Strukturen nicht so leicht hat. Der Wille, mit seinen Freunden andauernd gleichzuziehen, brennt ihn langsam aus. Während er beim Fußball und Wellenreiten noch zu den besten zählte, merkt er bald, dass diese Eigenschaft im sozialen Umfeld nicht sonderlich hilfreich ist. So wird er schlussendlich durch die Angst, zum Außenseiter zu werden, erst recht einer.
Im Jahr 1967 erschien „Die jungen Hunde“ beim Lumen Verlag in Barcelona. Der Text hat jedoch nichts von seiner Schärfe und Aktualität eingebüßt. Die unterlassene Hilfe und das Unverständnis gegenüber Cuéllar lassen am Ende des Buches auch den Leser beschämt zurück. Dieser sucht am Schluss nach Hinweisen in einem Kapitel oder in einer Fotografie, doch vergeblich. Nicht ein Moment ist es, welcher den Jungen zu Fall bringt, sondern die unliebsame Auswirkung gesellschaftlicher Strukturen. Cuéllar war es nie möglich, sich selbst zu finden, da er pausenlos anderen gefallen musste und sich dadurch laufend anderen anpasste.
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