Irrungen und Wirrungen einer Freundschaft

Marc Degens’ Roman „Das kaputte Knie Gottes“ dreht sich um den Wahnsinn des Alltags und das Scheitern einer Freundschaft

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Marc Degens’ Roman fällt nicht nur durch das Titelbild auf – eine Bananenschale auf weißem Grund –, sondern auch durch den kuriosen Buchtitel „Das kaputte Knie Gottes“. Das weckt diverse Erwartungen: Eine kritische-philosophische Schrift über Religion? Oder doch eher ein humorvoller Roman über einen Gott, der gerade schlecht zu Fuß ist?

Nein, mit Religion hat dieser Titel nichts zu tun, denn, so erfährt der Leser bereits nach wenigen Seiten, „Das kaputte Knie Gottes“ ist eine Skulptur von Dennis, dem der Protagonisten dieses Buchs.

Pornokino, Bert Brecht und die große Liebe

Dennis und Mark sind seit Schultagen beste Freunde. Nach dem Abi zeigt sich allerdings deutlich, dass die beiden sehr verschieden sind. Mark studiert Germanistik und Anglistik auf Lehramt und plant seine Zukunft als Lehrer – mit geregeltem Einkommen, Haus, Garten, Ehefrau und Nachwuchs. Herrlich spießig, wie Dennis findet. Er ist mehr der Freigeist, modelliert Gliedmaßen aus Beton und träumt davon, diese Skulpturen irgendwann gewinnbringend zu verkaufen. Als freischaffender Künstler ist das Geld immer knapp, weswegen sich Dennis mit Gelegenheitsjobs im Pornokino oder in einem Masthähnchenbetrieb über Wasser hält.

Als er seine große Liebe Lily trifft, will er ihr helfen, ein Theaterstück von Bertolt Brecht zu inszenieren. Er übernimmt das Bühnenbild, Mark soll Regie führen, Lily kümmert sich um das Organisatorische. Doch kurz vor der Premiere machen ihnen die Brecht-Erben einen Strich durch die Rechnung und das Stück fällt ins Wasser. Die ganze Mühe für die Katz’.

Während Mark sich wieder seinem Studentenleben widmet, geht es mit Dennis bergab. Lily entwickelt eine mysteriöse Allergie gegen ihn und muss ihn verlassen, seine neuen Skulpturen, die bunten Betonblumen, werden gestohlen und seine erste Ausstellung erhält fragwürdige Presse durch einen katastrophalen TV-Beitrag in einem Erotikmagazin. Dieser wiederum bringt eine radikale Wende in Dennis’ Leben: Dennis findet eine Gönnerin und wird zu einem anerkannten Künstler. Mark hat jahrelang keinen Kontakt, Dennis meldet sich nicht, ist unauffindbar. Als sie sich schließlich wiedersehen, ist die Freude groß. Alles ist wie früher – oder? Das Treffen endet in einer Katastrophe.

Mark und Dennis: Eine schräge, wie schmerzhafte Freundschaft

Die Freundschaft zwischen dem Ich-Erzähler Mark und Dennis steht eindeutig im Zentrum von „Das kaputte Knie Gottes“. Es ist eine schräge und tiefe Freundschaft, Mark hält zu Dennis, egal, in welchen Schwierigkeiten er gerade steckt. Auf Gegenseitigkeit beruht das jedoch nicht, ein Gefühl, das sich beim Lesen oft einstellt. Denn meist ist es Mark, der Opfer bringt, über seinen Schatten springt und sich für Dennis engagiert. Der hingegen nimmt alles, wie es kommt. Marks Einsatz nimmt er ganz selbstverständlich hin, hinterfragt nicht, bedankt sich aber auch nicht. Dennis taucht ab, wann immer es sich für ihn ergibt, seine Kunst voranzutreiben und er hält es nicht für nötig, sich bei seinem besten Freund zu melden. So unverhofft, wie er verschwindet, taucht er wieder auf und eigentlich kann ihm niemand böse sein, bei all dem, was Dennis erlebt.

Marc Degens hat ein gutes Gespür für Situationskomik. Mit Ironie und schwarzem Humor berichtet er von kuriosen Zufällen und dem wahnsinnigen Alltag von Dennis und Mark: der Hauptgewinn einer Tierfutterkette führt dazu, dass Dennis unter die Hundebesitzer geht, der typische Ruhrpott-Bauarbeiter erweist sich als passionierter Kunstkenner und kauft eine von Dennis’ Skulpturen für mehrere tausend Euro. Und der Porno, der in dem Kino gezeigt wird, in dem Dennis jobbt, wird zum Meisterwerk der Filmkunst.

Gute Freunde tauchen mal ab, aber sie tauchen auch wieder auf. Das trifft zumindest auf Dennis zu, aber es zeigt sich auch schnell, dass er schnell wieder verschwindet, wenn er Mark einen Gefallen tun soll. Erst lässt er seinen Freund alleine, als der nach übermäßigem Drogenkonsum – auf Dennis’ Kosten – mit einem Kreislaufkollaps im Krankenhaus liegt, dann erscheint Dennis nicht zu Marks Hochzeit, obwohl er Marks Trauzeuge ist. Die Freundschaft zerbricht endgültig – eine schmerzhafte Erfahrung für Mark.

Ernste Zwischentöne und gescheiterte Lebensträume

Es sind diese Zwischentöne, die aus „Das kaputte Knie Gottes“ ein stilles Buch machen. Marks Inneneinsichten und Gedanken über seine Freundschaft zu Dennis sind authentisch und nachfühlbar.

Es ist mehr eine Tragikkomödie denn ein bloßer humorvoller Roman über eine Männerfreundschaft. Es geht um Lebensträume, die an der Realität scheitern oder völlig unverhoffte Wendungen nehmen. Die Protagonisten sind hin- und hergerissen zwischen ihren Hoffnungen, Idealen und dem, was sie wirklich erreichen können. Die verschiedenen Lebensentwürfe harmonieren nicht mehr miteinander, daran zerbricht die Freundschaft von Mark und Dennis.

Eine Persiflage auf den Kulturbetrieb ist der Roman jedoch nur ansatzweise. Kritik klingt an, beispielsweise an der Praktikums-Praxis in Redaktionen, für die Universitätsabsolventen für wenig Geld schuften, nur um die Chancen auf ihren Traumjob zu wahren – nur um später einen neuen Job suchen zu müssen. Dazu nimmt Degens Bezug auf die Organisation von Ausstellungen, TV-Beiträge, die willkürlich zusammengeschnitten werden und der Drogenkonsum in Künstlerkreisen.

„Das kaputte Knie Gottes“ ist eine unterhaltsame, flüssig geschriebene Lektüre, die aber auch zum Nachdenken anregt über Freundschaften, Lebensträume und was es bedeutet, ein Künstler zu sein. Mit einem Augenzwinkern und einem Funken Wahrheit.

Titelbild

Marc Degens: Das kaputte Knie Gottes. Roman.
Knaus Verlag, München 2011.
255 Seiten, 17,99 EUR.
ISBN-13: 9783813504262

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch