Weltliteratur aus Island

Über eine Essaysammlung von und eine Biografie über Halldór Laxness

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Island als literarisches Ereignis beansprucht das Lesepublikum gegenwärtig in vielfacher Weise. Dem seien hier noch einige Anmerkungen hinzugefügt, die stellvertretend für ein knappes Dutzend weiterer Bücher des Autors stehen sollen. Aktueller Anlass ist die Veröffentlichung einer Essaysammlung von Halldór Laxness, die 1929 fertig gestellt wurde und im Jahr der Fertigstellung unter dem Titel „Volksbuch“ in Island erschienen ist. Die vorliegende Ausgabe ist die erste Übersetzung in eine anders Sprache. Wie alle deutschen Übersetzungen der Werke von Halldór Laxness im Steidl Verlag sorgfältig und kenntnisreich von Hubert Seelow besorgt. Dabei wird, sich ganz an aktuellen Editionsgrundsätzen orientierend, die Erstausgabe und nicht die überarbeiteten späteren Fassungen zugrunde gelegt.

Als Laxness die Arbeit an der Essaysammlung begann, hatte er schon einige Reisen in Europa hinter sich. Sein erster Versuch in die USA zu reisen war zwar gescheitert, aber Ende der 1920er-Jahre war er endlich an der Westküste Amerikas angekommen. Sein Versuch als Autor in der Filmindustrie Hollywoods zu arbeiten, war wenig erfolgreich. Die Rückkehr nach Island war absehbar und er wollte seine Ankunft in Reykjavik mit dem Erscheinen seiner Textsammlung vorbereiten. Sein Ehrgeiz war es, zu der wichtigen literarischen Stimme des Landes zu werden. Und er hatte pädagogische sowie volksbildnerische Ambitionen, denn aufgrund seiner Erlebnisse und Erfahrungen mit dem amerikanischen Kapitalismus hatte er sich zu einem „überzeugten Sozialisten“ gewandelt. Seine weltanschauliche Wandlung erregte bei seinen isländischen Lesern erhebliche Aufmerksamkeit, zumal in seinem 1927 erschienenen Buch „Der Weber von Kaschmir“ die Hauptfigur sein Glück in der Hinwendung zum Katholizismus fand.

Dieser Paradigmenwechsel in der Weltanschauung von Laxness wird im „Volksbuch“ sehr deutlich, wenn man es mit dem „Weber von Kaschmir“ vergleicht. Es markiert einen Umbruch in der schriftstellerischen Entwicklung und kann sehr gut als Beschreibung der weltanschaulichen Grundlagen des Autors für seine weiteren Dichtungen herangezogen werden. Halldor Gudmundsson beschreibt in der vorliegenden „Kurzfassung“ seiner Laxness-Biografie nicht nur diesen Bruch, sondern kenntnisreich auch die Jugend des Autors, seine Reisen und seine Bücher. Gudmundsson, bekannt durch seine Studien zu dem isländischen Nobelpreisträger Laxness und durch seine umfangreiche Laxness-Biografie, liefert mit dieser „Kurzfassung“ eine gute Ergänzung zu dem Volksbuch und natürlich auch zu der Neuausgabe der Schriften im Steidl Verlag. Beide hier vorgestellten Bücher können wärmstens empfohlen werden, wobei der Unterhaltungswert von Gudmundssons Biografie sicherlich etwas höher ist als der des „Volksbuchs“, das sich an manchen Stellen aufgrund seiner volksbildnerischen Thematik etwas zäh liest. Abschließend sei aus dem erzählerischen Werk als Lesetipp noch auf „Die glücklichen Krieger“ und „Sein eigener Herr“ verwiesen. Beide liefern Metaphern und Handlungsmodelle, die unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisensituationen in Westeuropa metaphorisch beschreiben. Nur eben in der poetischen Sprache der Weltliteratur. Und eins ist sicher: Laxness kann es immer noch mit jedem der Gegenwartsautoren aufnehmen, sind doch sowohl sein Werk als auch sein Leben spannende Abenteuergeschichten.

Titelbild

Halldór Laxness: Das Volksbuch. Über Island und Gott und die Welt.
Übersetzt aus dem Isländischen von Hubert Seelow.
Steidl Verlag, Göttingen 2011.
288 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783869302348

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Titelbild

Halldor Gudmundsson: Halldór Laxness - Sein Leben.
Steidl Verlag, Göttingen 2011.
239 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783869302355

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