Diskurs-Brücke unter Spannung
Sandra Smykalla und Dagmar Vinz haben einen Sammelband über Intersektionalität zwischen Gender und Diversity herausgegeben
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIntersektionalität zählt seit einer Reihe von Jahren zu den angesehensten Konzepten in den Diskursen der Gender- und Diversity-Forschung. Daher können Sandra Smykalla und Dagmar Vinz im Vorwort des von ihnen herausgegebenen Sammelbandes „Intersektionalität zwischen Gender und Diversity“ aus guten Gründen davon ausgehen, dass sie sich „zwischen und innerhalb von theoretischen, methodologischen und politischen Auseinandersetzungen um Gender und Diversity bewegt“.
Der Titel des Bandes soll darauf verweisen, dass Intersektionalität als erkenntnisstiftender Ansatz zwar von feministischer Seite entwickelt wurde, inzwischen aber nicht nur vornehmlich „mit Diversity-Konzepten verknüpft“ wird, sondern von diesen häufig kaum mehr unterschieden wird. Dagegen beharren Smykalla und Vinz darauf, dass ein Vorteil, den Intersektionalität Diversity gegenüber biete, darin bestehe, dass sie als ursprünglich feministischer Ansatz in einer „herrschaftskritische[n] Tradition“ stehe, während der „Diversity-Ansatz“ stärker „mit Inklusion und Anerkennung von Differenz sowie der Herstellung von Chancengleichheit verknüpft“ sei. Intersektionalität kann den Herausgeberinnen zufolge als ein „Brückenkonzept zwischen Gender- und Diversity-Diskursen“ verstanden werden. Zugleich aber stehe sie auch in einem „Spannungsverhältnis“ zwischen den beiden Diskursen.
Mit dem aus einem Workshop hervorgegangenen Buch wollen die Herausgeberinnen und die neunzehn aus den Disziplinen Politikwissenschaft, Soziologie, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaft sowie aus den Gender Studies stammenden AutorInnen „sowohl Wissenschaftler/innen als auch Experten/innen in der politischen oder betrieblichen Praxis“ ansprechen und dazu beitragen, „fixe Verständnisse der Konzepte Gender, Intersektionalität und Diversity aufzugeben und den jeweiligen Zugrifftransparent zu machen“.
Hierzu wurden die achtzehn Beiträge zu drei Gruppen zusammengestellt, deren erste „theoretische Zugänge und konzeptionelle Grundlagen“ behandelt, während der zweite Teil „methodische Zugänge und Herausforderungen für die Forschung“ zusammenführt. Der dritte gilt „Politikfeldern und Strategien der Chancengleichheit und Antidiskriminierung“.
Eröffnet wird der Band von der wohl namhaftesten Autorin, die Smykalla und Vinz für ihr Vorhaben gewinnen konnten: Carol Hagemann-White. Sie betrachtet „Intersektionalität als theoretische Herausforderung für die Geschlechterforschung“ und fragt in ihrem erhellenden Beitrag, „welche Differenz- und Strukturkategorien sinnvoll zum Verständnis von Intersektionalität sein können“. Dabei weist sie nachdrücklich darauf hin, dass das allseits beliebte „Lob der Vielfalt die Strukturfrage nicht beantwortet“, und fordert, „die Strukturmächtigkeit von Kategorien kontextbezogen zu untersuchen“. Denn es sei entscheidend, ob die Strukturkategorien „tragend für Verhältnisse sozialer Ungleichheit sind“. Zugleich warnt sie, dass das Konzept der Intersektionalität der „Beliebigkeit“ verfällt, wenn es ihm an einem „adäquaten Strukturbegriff“ mangelt, und rät, „nicht länger additiv im Sinne einer Potenzierung von Vor- und Nachteilen zu denken“, sondern das „Zusammenwirken“ der Kategorien als „Positionsbestimmung mit eigener Qualität“ zu untersuchen. Dabei gelte es, sich von „beliebigen Auflistungen der Vielfalt, wie sie bei der Diskussion von Diversity teilweise vorkommen“, zu verabschieden und stattdessen die „Strukturmächtigkeit von Kategorien zu unterscheiden“.
In weiteren Beiträgen gehen Bernd Ladwig „Intersektionalität und Liberalismus“ und Johanna Köster „Integrationspolitik, Diversity und Chancengleichheit“ nach. Ulrike Schulz befasst sich mit „Intersektionalität, Ethnie und Geschlecht“. Anja Lindau leistet einen Beitrag „zur Erforschung der Herstellung von Diversity in Organisationen“. Sabine Beckmann und Patrick Ehnis vergleichen die geschlechtliche Arbeitsteilung in Schweden und Frankreich. Johanna Hofbauer und Gertraude Krell betrachten „Intersektionalität und Diversity mit Bourdieu“, während sich Lucy N. Chebout sich auf die Suche nach der „Intersektionalität in bundesdeutschen Intersektionalitätsdiskursen“ begibt und „Exzerpte aus dem Reisetagebuch einer Travelling Theory“ zu bieten hat. Ingrid Jungwirth beleuchtet „geschlechtliche Konfigurationen in grenzüberschreitenden Berufsverläufen von Migrantinnen“. Edeltraud Kutzner geht „Online-Tool Diversity“ als einem „erstem Interventionsschritt in Unternehmen“ nach. Barbara Sieben und Nicole Bornheim zeigen „Achsen der Differenz in Managementkonzepten und Managementforschung“ auf. Die Herausgeberinnen selbst untersuchen Klasse und Geschlecht als „eine umkämpfte Verbindung“ in einschlägigen Theorien (Dagmar Vinz) und die „Perspektiven der Intersektionalität“ im „Diskurs von Weiterbildung und Beratung“ (Sandra Smykalla). Vinz meldet sich noch ein weiteres Mal zu Wort und verortet Antidiskriminierungspolitik gemeinsam mit Katharina Schiederig „im Spannungsfeld zwischen Gender, Diversity und Intersektionalität“.
Wie zu sehen ist, spiegelt sich die im Diversity-Diskurs so oft gepriesene Vielfalt in derjenigen der Beiträge wieder.
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