Kultur im diplomatischen Kontext

Peter Ulrich Weiß hat eine Studie über die Konkurrenz der auswärtigen Kulturpolitik von DDR und BRD in Rumänien vorgelegt

Von Markus BauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Markus Bauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Aufsehen um die Studie „Das Amt“ hat die Geschichte des Auswärtigen Amts und damit auch die der deutschen Außenpolitik recht unvermittelt in die Aufmerksamkeit einer großen Öffentlichkeit gerückt. Die dort aufgezeigte „Weißwaschung“ der Vergangenheit des AA trat in eine gewisse Spannung mit der Aufgabe des Außenministeriums, dem jungen Staat BRD nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs in der diplomatischen Welt wieder Ansehen zu verschaffen, nachdem bereits der ökonomische Aufstieg im „Wirtschaftswunder“ den West-Staat politisch interessant gemacht hatte. Traditionell stellt in diesem Kontext die auswärtige Kulturpolitik ein Mittel dar, um das Ansehen eines Staates zu erhöhen oder als „Schlüsselöffner“ für wirtschaftliche Kontakte zu dienen. Da nun Deutschland doppelt auftrat – mit der in die NATO und EWG integrierten Bundesrepublik und der dem „Warschauer Pakt“ und dem RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe; Comecon) angehörenden Deutschen Demokratischen Republik – stellt es eine reizvolle Aufgabe dar, das Verhalten der beiden deutschen Staaten etwa in einem Staat der sowjetischen Einflusssphäre zu untersuchen (wobei die DDR ja lange aus westlicher Sicht nicht als eigener Staat anerkannt wurde und als Sowjetische Besatzungszone (SBZ) oder noch patziger als „Pankow“ fungierte).

Genau dies hat Peter Ulrich Weiß getan und dabei interessante Einsichten in Strukturen und Ereignisse hinsichtlich der Frage, wer deutsche Kultur auf welche Art und Weise in einem Ostblockland repräsentierte, aufgetan. Der Staat hinter dem Eisernen Vorhang, den er untersucht, ist Rumänien – und damit kommen eine Reihe weiterer Überraschungen ins Spiel. Denn die scheinbar hermetische Blockbildung unter der Hegemonie der Sowjetunion und der kommunistischen Parteien in Osteuropa hatte durchaus ihre Risse und Abgründe. Rumänien machte unter dem Parteichef Gheorge Gheorghiu-Dej zwar den stalinistischen Terror mit und verfolgte mit großer Grausamkeit in den 1950er-Jahren alle realen und potentiellen Gegner der Partei und der Kollektivierung der Landwirtschaft; mehr als 200.000 Tote soll dieser Terror gefordert haben. Allerdings drang das Regime darauf, dass die sowjetische Armee abziehen sollte, was diese 1958 auch tatsächlich tat – ein singulärer Fall im „Ostblock“.

In dieser Zeit gab es nur zaghafte Annäherungen an Deutschland, vor allem in Form der Kulturkontakte zum „Bruderstaat“ DDR, während die BRD noch „non grata“ war. Aber wie der Autor zeigen kann, gab es zwischen dem südosteuropäischen Staat und den beiden deutschen Staaten nach dem „Dritten Reich“ eine lange Phase des Kennenlernens und auch der Missverständnisse. Die Vertreter der „Bruderpartei“ SED stießen auf überraschende Unkenntnis der deutschen Verhältnisse. So wurde etwa unbefangen von den Rumänen die Vereinigung mit der BRD als politisches Ziel der DDR verstanden, was einiges Kopfschütteln bei den DDR-Funktionären auslöste. Die Annäherung zwischen beiden sozialistischen Staaten wurde gefährdet durch die allmähliche Wahrnehmung der ökonomischen Potentiale des westdeutschen „Wirtschaftswunderlandes“. Die Entwicklung lief nach Eröffnung einer bundesdeutschen Handelsmission 1963 gegen den großen Widerstand aus Ost-Berlin auf die starke Präsenz der Bundesrepublik hinaus, die 1965 in einer großen Handelsausstellung gipfelte: Mehr als 5.000 Gäste aus dem Westen stellten die Geheimpolizei Securitate vor unlösbare Probleme, weil sie kaum zu überwachen waren, so dass vielfach Kontakte jenseits der geplanten zustande kamen. Die Diplomaten der DDR-Botschaft waren entsetzt. Noch mehr, als 1967 die BRD den ersten Botschafteraustausch mit einem Staat des Ostblocks nicht zufällig mit Rumänien realisierte.

Der Kulturaustausch fand sich in einem Spannungsfeld, in dem zunächst zahlreiche Beteiligte ohne allzu konkrete Zielvorstellungen versuchten, einen möglichst gegenseitigen Kontakt und Austausch auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet zu organisieren. In den 1960er-Jahren wuchs der Kontakt an, insbesondere war Rumänien am Austausch von Naturwissenschaftlern mit der Bundesrepublik interessiert. Hier waren wie heute vor allem die Alexander von Humboldt-Stiftung und der DAAD aktiv. Weiterhin gab es staatlich geförderte gegenseitige Buchpräsentationen und Autorenbesuche, Konzerte und Kunstausstellungen. Zeitweise hatte Rumänien auf kulturellem Gebiet einen großen Ruf in der BRD, was mit der politischen Großwetterlage zusammenhing, in der Ceauşescus Kurs der Eigenständigkeit im Sowjetsystem im Westen wohlwollend unterstützt wurde. Desto schwieriger war der Kontakt mit der DDR, die sich jahrelang in einer „politischen Eiszeit“ mit Rumänien befand. Den Hintergrund bildete die „Ulbricht-Doktrin“, die besagte, dass sozialistische Länder diplomatische Beziehungen mit der BRD nur eingehen dürften, wenn dies mit der Anerkennung der DDR, der Nicht-Einbeziehung von West-Berlin und der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze verbunden sei. Auf bundesdeutscher Seite hingegen dominierte seit den 1950er-Jahren die „Hallstein-Doktrin“, die die Nicht-Anerkennung der DDR und den bundesdeutschen Alleinvertretungsanspruch für Deutschland postulierte.

Gegen die Kulturpräsenz der BRD in Rumänien brachte die DDR-Diplomatie vielfach politische Argumente vor. Hauptstreitpunkt war oft, dass bundesdeutsche Veranstalter Westberliner Künstler einbezogen, wogegen sich die DDR immer wieder wehrte. Andererseits machte die BRD Schwierigkeiten, wenn von zwei deutschen Staaten die Rede war. Einen großen Skandal gab es 1969, als Günter Grass die Eröffnung einer Buchausstellung in Bukarest verweigerte, falls auf Druck der DDR entfernte Bücher nicht wieder in die Regale gestellt würden. Da dies nach hektischen Verhandlungen nicht geschah, verlies Grass Rumänien, ohne die Präsentation eröffnet zu haben.

Mit der Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition wurde auch die Konkurrenz weniger dramatisch, die DDR hatte immer wieder auch über die Sowjetunion politischen Druck auf Rumänien ausgeübt, so dass einige der Grundforderungen der DDR Beachtung fanden, während mit der BRD ebenfalls in den politischen Fragen ein modus vivendi gefunden worden war. Nun rückte der wachsende Tourismus in das Blickfeld der DDR, die wenig Interesse an den zahlreichen Kontakten ihrer Bürger mit Westdeutschen am rumänischen Schwarzmeerstrand hatte. Zeitweise, so lässt sich der preisgekrönten Studie entnehmen, war Rumänien ein in der ,westlichen Hemisphäre‘ stark beachtetes und geschätztes Land. Dies belegen auch in den Schlusskapiteln der Arbeit die Analyse von Presseartikeln und Reiseberichten.

Mit dem Erreichen der frühen 1970er-Jahre endet die Studie, die eine spannende und gut lesbare Darstellung auf der Ebene der in der Außenkulturpolitik aktiven Institutionen und deren politischen Umfeld liefert, aber auch mit vielen Beispielen konkreter aktenkundiger Fälle des kulturellen Kontaktes ein überraschendes Kapitel der Dreiecksgeschichte der beiden deutschen Staaten und Rumäniens aufblättert.

Titelbild

Peter Ulrich Weiß: Kulturarbeit als diplomatischer Zankapfel. die kulturellen Auslandsbeziehungen im Dreiecksverhältnis der beiden deutschen Staaten und Rumäniens von 1950 bis 1972.
Oldenbourg Verlag, München 2010.
424 Seiten, 49,80 EUR.
ISBN-13: 9783486589795

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