Schreibrauch
Über Stuart Evers Debüt „Zehn Geschichten übers Rauchen“
Von Kay Ziegenbalg
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseStuart Evers hat für sein Debüt „Zehn Geschichten übers Rauchen“ bereits viel Lob bekommen. Und das ist ganz und gar angebracht. Zielsicher schreibt sich der ehemalige Buchhändler und Lektor durch zehn Geschichten, die so oder so ähnlich schon x-mal erzählt sind, aber auch einfach nicht anders sein könnten und denen es nie an Plausibilität oder Überzeugungskraft fehlt. Die Qualmerei nimmt dabei eine ihrer besten Nebenrollen ein, die sie sonst fast nur im Film voll ausfüllen kann.
Die Zigarette ist die verbindende Zäsur und allgegenwärtiges Zeitmaß. Das ist nicht uninteressant, denn die Selbstverständlichkeit, mit der hier Dialoge, Denkbewegungen und Ortswechsel vom Anzünden, Ziehen, Ausblasen und Ausdrücken begleitet werden, offenbart eine subtile Nostalgie, der man sich kaum entziehen kann – zumindest, wenn man etwas für die generellen Ausgehbedingungen vor 2004 übrig hat. In jenem Sommer trat das irische Nichtraucherschutzgesetz in Kraft. Dieser Pioniertat folgten bis heute zahlreiche Staaten weltweit, und – machen wir uns nichts vor – die wenigsten (selbst Raucher) können sich noch vorstellen, dass wir es jemals gemocht haben, drei Gänge eines Abendessens im blauen Dunst von 30 Menschen zu genießen. Aber Evers lässt sich nicht verlocken, eine Lanze zu brechen und Rebellen einer Kultur der Selbstbestimmung zu inszenieren, was anderenorts gern gemacht wird.
Er geht viel subtiler vor und lässt einen Liebesakt mit den Worten enden: „Du riechst… keine Ahnung, irgendwie falsch“. „Hast du aufgehört zu rauchen?“ Es braucht hier und da nur ein Wort, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erwischen. Ansonsten wird einfach nur geraucht, was sich bei näherer Betrachtung als Ausstattung von Tragweite erweist.
Evers’ Geschichten spielen in einer untergegangenen Welt, der nichts Geringeres als der ganze Charme des vergangenen Jahrhunderts anhaftet. Einmal macht er ernst und erfindet das „Delphinium“ – eine Cocktailbar in Las Vegas, deren Publikum sich als die High Society der 1950er-Jahre inszeniert. Da steht auch schon mal eine Zivilschutzübung auf dem Programm. Hier tanzen die Cold War Kids zum Sound ihrer Eltern.
Eine andere Geschichte dreht sich um Jimmy, der verzweifelt versucht, über seine traumatischen Erlebnisse als britischer Soldat im Falklandkrieg 1982 hinwegzukommen. Rauchend – immer sechs Zigaretten, die für die sechs gefallenen Kameraden stehen – und trinkend verbringt er Ewigkeiten in der immer gleichen Bar in Spanien. Sein Bruder, der einen Familienstammbaum erstellen möchte, ist ihm nach langen Recherchen und der Hilfestellung eines Privatdetektivs nachgereist. Sehr spät erst präsentiert Evers seinen Lesern die Pointe mit den Worten von Jimmys Frau: „Jeden Tag spielt er durch, was passiert ist, nachts hat er Albträume davon. Und falls das noch nicht reicht, falls das noch nicht schlimm genug für ihn ist – und übrigens auch für mich –, taucht ihr ständig hier auf und erinnert ihn daran.“ Ihr – das ist eine ganze handvoll verstreuter Brüder. Der Stammbaum bekommt schnell „Ableger, die über das Blatt hinausrankten.“
Die weiteren Figuren des Bandes passen gut in diese Familie. Bekannte begegnen sich als Fremde oder werden zu solchen – mindestens einer raucht immer und irgendwie fehlt es an Freude, denn Stück für Stück brennen die Zeit und die Ereignisse runter. Dennoch macht sich kaum schlechte Laune breit, denn die trockene Erzählweise hebt die Trostlosigkeit gescheiterter Suchbewegungen in die Höhen der Lebenskunst.
Keine Beklemmung, kein Mitleid. Die Erzählungen treffen das Leben mit kleiner Geste mitten ins Gesicht. Das Buch zwischendurch zuklappen und einfach mal „Hang me up to Dry“ von den Cold War Kids hören – mit Kippe.
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