Guter Versuch

Georg M. Oswald entwirft in „Unter Feinden“ einen Actionthriller

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einen drogenabhängigen Polizisten dazu zu benutzen, einen missliebigen Politiker oder Manager auf einer streng geschützten Konferenz auszuschalten, ist vielleicht im Thriller keine allzu neue Idee, deutsche Krimiautoren haben sich bislang jedoch selten an diesem Konzept versucht. Das mag daran liegen, dass solche Texte aber auch Filme allzu sehr wie Versuchsanordnungen zu konstruieren sind, steht doch die Frage im Vordergrund, was wie arrangiert werden muss, um das Attentat wahlweise erfolgreich zu machen oder verhindern zu können.

Forsyths Roman „Der Schakal“ lebt von dieser Frage, „Unter Feinden“ macht davon keine Ausnahme, aber eben unter umgekehrten Vorzeichen. Geht es in Forsyths Klassiker um die Frage, wie das Attentat zu verhindern sei, bemüht sich Oswald um eine plausible Durchführung seines Anschlags. Daraus resultieren allerdings auch die Probleme des Textes, knapp gesagt, seine überschießende Ausstattung.

Grob skizziert geraten zwei Polizisten während eines Beobachtungseinsatzes in einen Konflikt mit einer Gruppe junger Drogendealer, weil einer der beiden Stoff kaufen will. Die Situation eskaliert. Auf der Flucht vor den attackierenden jungen Männern überfährt der drogensüchtige Polizist einen von ihnen, was einen Jugendaufstand französischer Art auslöst. Die Vorbilder sind bekannt.

Der Kollege und langjährige Freund deckt ihn, auf das Risiko hin, dass er selbst für den Vorfall und seine Folgen haftet, aber Kollegensolidarität geht vor. Während der cleane Kollege im Folgenden zum Ermittlungsleiter der Beobachtungsaktion aufsteigt, wird der drogensüchtige Polizist mehr und mehr auf die andere Seite gezogen. Er wird erpresst, beginnt selbst zu dealen, geht damit baden, wird anschließend von einem Unbekannten erneut erpresst, ein Attentat gegen den Chef einer privaten Sicherheitsfirma zu begehen, die sich an diversen Kriegen beteiligt hat. Damit das nicht so einfach ist, muss das Attentat auf einer Sicherheitskonferenz stattfinden, die naheliegend extrem gut gegen Attentate geschützt ist.

Für seine Bereitschaft und für seine Tat wird der Attentäter von allen Vorwürfen freigestellt und von seinem Erpresser gedeckt. Die Konstruktion ist so angelegt, dass er am Ende unbehelligt davonkommt. Die normale Variante, dass der interne Überläufer für seine Taten büßen muss, wird vermieden. Auf diese Weise wird eine schwache Position (durch die Sucht) weitgehend entschuldet, ohne dass die Figur die Verantwortung für ihre Tat abwälzen könnte.

Eine merkwürdige Konstruktion, die offensichtlich aus dem Politthriller der vergangenen Jahre gelernt hat und hinreichend rasant geschrieben ist. Dem gegenüber steht aber die merkwürdige Überausstattung. Denn eigentlich braucht Oswald den Unfall nicht, er braucht das Dilemma des cleanen Kollegen nicht, er braucht auch keinen heimlichen oder offenen Rassismus, er braucht keine Jugend- oder Ghettoaufstände, er muss nur einen Polizisten erpressbar machen und so stark unter Druck setzen können, dass er zu einer solch extremen Tat bereit ist. Er braucht die Sicherheitskonferenz, damit die Konstruktion hinreichend schwierig ist. Und er braucht einen Plan, der hinreichend Puffer hat, dass er nicht allzu schematisch wirkt und nicht zu viele Prämissen hat, die nur schwer einzuhalten sind.

Indem er den Gegenpart des schwachen Helden einführt, verwässert er seine Konstruktion sogar, er macht sie überzogen kompliziert, was die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht funktioniert, nur noch steigert.

Das Fazit allerdings bleibt unklar, insbesondere die Frage, ob es sich um einen gelungenen oder misslungenen Entwurf handelt. Dies zu entscheiden wird auch eben Geschmacksache sein, wenngleich das Pendel eher zum missglückten Entwurf ausschlägt.

Dazu trägt auch eine kleine Schluderei bei, die bei der Beschreibung der Gattin des guten Polizisten unterlaufen ist: Germanisten schreiben keine wissenschaftlichen Artikel, sondern Aufsätze, die in der Regel gar nicht bezahlt werden außer über die VG Wort. Und die Habilitation ist zwar in der Regel die Voraussetzung der Professur, aber führt nicht zwangsläufig dazu. Anscheinend auch nicht in diesem Fall (was ja vielleicht allzu feine Ironie gewesen sein mag). Aber bei solchen Sachen ist man als habilitierter Germanist ohne Uni-Stelle penibel und humorlos, Herr Oswald. Sehen Sie es mir bitte nach.

Titelbild

Georg M. Oswald: Unter Feinden. Roman.
Piper Verlag, München 2012.
245 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783492053839

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