Jäger und Schäfer

„Schutzlos“ – ist ein rasanter Thriller von Jeffrey Deaver

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der neue Thriller „Schutzlos“ von Jeffrey Deaver besticht vor allem durch seine Geschwindigkeit. Die Protagonisten sind ununterbrochen auf der Flucht – und der Leser mit ihnen. So bleibt nach schneller, unterhaltsamer Lektüre ein Gefühl von Atemlosigkeit zurück, das man nicht oft bei Thrillern erlebt. Der Protagonist des Romans ist Corte, der als „Freiberufler“ mit einem kleinen Team für den Schutz von Personen zuständig ist. Seine Spezialbezeichnung ist in diesem Fall „Schäfer“ – er ist für das Bewachen, Hüten und Beschützen der ihm anvertrauten Personen verantwortlich. Seine Gegenspieler sind sogenannte „Lifter“, die – meistens im Auftrag – von den beschützten Personen Informationen haben wollen. Dies zu verhindern ist Aufgabe der Schäfer. Im vorliegenden Fall erhält der Protagonist Corte den Hinweis, dass der ihm bekannte Lifter und Serienmörder Henry Loving auf die Personen angesetzt wurde, die Corte beschützen soll. Dabei handelt es sich um den Polizisten Ryan, seine Frau Joanne, deren Schwester Maree und ihre Tochter Amanda. Die Geschichte gewinnt ihre Spannung durch die unklare Hintergrundgeschichte, die die Gründe liefern könnte, warum vielleicht eine der vier Personen verfolgt wird. Dabei wird die Suche nach den Gründen für die Verfolgung zu einer ebenso spannenden Geschichte, wie die Verfolgung der Probanten durch Henry Loving.

Corte lässt sich bei seinen taktischen Überlegungen als Personenschützers von den Erkenntnissen der Spieltheorie leiten. Hier öffnet Deaver eine interessante Perspektive. Er vermittelt in diesem Buch die spannende und taktische Theorie seiner Hauptfigur: „Ein Aspekt von Brettspielen, der mir gefällt, ist, dass man die Rolle von jemand anderem spielen kann. In dem klassischen deutschen Spiel Die Siedler von Catan zum Beispiel, das der berühmte Klaus Teuber geschaffen hat, ist man genau dies – ein Siedler auf einer mythischen Insel. Um zu gewinnen, muss man die Ressourcen erfolgreicher und schneller als sein Gegner erschließen.“

Verschiedene Aspekte der Spieltheorie faszinieren den Beschützer. Wenn die Personen angegriffen werden, reagiert der Schäfer, legt seine taktischen Einschätzungen aber systematisch seinen Handlungen zugrunde: „In der Spieltheorie ist die Persönlichkeit deines Gegners nicht von Belang. Es gibt sogar einen Typus von Spielen, bei denen man sich einig ist, dass man jeden Menschen durch einen anderen Spieler ersetzen kann. Doch für mich bedeutet es alles, bei einem Brettspiel die Person zu sehen, die mir gegenübersitzt.“ Dies lässt ihn in fast allen Situationen erfolgreich handeln. Und dass dies in einem hochgradigen Spannungsverhältnis zwischen Corte, Loving, den Ryns und dem Leser geschieht, freut den Leser. Und so liefert die Spieltheorie auch den Kommentar zum Finish des Romans: „Alle Züge sind gewichtiger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein einziger Fehler zur Niederlage führt, steigt zum Ende des Spiels hin dramatisch an.“

Vielleicht der schnellste, rasanteste und gleichzeitig smarteste Thriller von Jeffery Deaver. Ein Schriftsteller auf der Höhe seiner Kreativität. Grandios.

Titelbild

Jeffery Deaver: Schutzlos. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Fred Kinzel.
Blanvalet Verlag, München 2012.
509 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783442377206

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch