Für Männer und Frauen beiderlei Geschlechts
Michael Althen lebt in seinen Arbeiten weiter
Von Dirk Kaesler
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDies ist ein Buch für jene Erwachsenen, die schon lange über die dämlichen Kalauer hinaus sind, denen zufolge Männer und Frauen einfach nicht zueinander passen. Es ist ein Buch für jene, die nicht einmal mehr müde lächeln können, wenn ihnen wieder einmal jemand weismachen will, dass die einen immer nur Sex wollen, Bier trinken und sich für Fußball interessieren, weil sie nämlich vom Mars kommen. Und schon darum jene, die in Wirklichkeit von der Venus kommen, nie verstehen werden, weil diese ewig nach der Liebe suchen, nicht einparken können und unablässig Schuhe kaufen. Nein, dieses schmale Buch ist gute Lektüre für jene, die über solchen Dumpfsinn erhaben sind. Und gerade deswegen ein höchst persönliches und wohlinformiertes Interesse am Thema der Kommunikation zwischen Mann und Frau haben.
Der am 12. Mai 2011 in Berlin viel zu früh verstorbene geniale Filmkritiker, Filmemacher und Autor von Büchern über Filme, Michael Althen, verfasste zuerst in der „Süddeutschen Zeitung“ und danach in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unregelmäßig Kolumnen: kleine Geschichten und Einfälle, Episoden aus dem Alltagsleben eines Journalisten, eines Mannes, eines Vaters und vor allem eines Ehemanns. Viele davon fingen an mit dem Satz: „Meine Frau sagt…“, also zum Beispiel „Haben wir ein Geschenk?“ (zu einem Zeitpunkt, zu dem das Taxi bereits längst gerufen sein sollte, um zur Einladung von Freunden zu eilen), oder „Was soll ich anziehen?“, oder „Lebensmittel müssen in den Kühlschrank“, oder „Räumst du denn noch die Küche auf!?“ ,et cetera. Was Frauen eben so zu ihren Männern sagen, und damit oft etwas ganz anderes ausdrücken wollen.
Aus diesen Kolumnen wollte Michael Althen ein Buch machen, wie uns das liebevolle Nachwort des „F.A.Z.“-Redakteurs und engen Althen-Freundes, Claudius Seidl, wissen lässt. Es ist nicht ganz erkennbar, wer die „wir“ waren, die die Auswahl aus diesen vielen Texten getroffen haben, möglicherweise Seidl selbst zusammen mit Michael Althens Frau. Hätte ich diese Aufgabe gehabt, wären mir vermutlich noch viele andere besonders lieb gewesen, wie etwa jene vom 23. Dezember 2010 über das Zusammenspiel des Land Art-Klassikers Robert Smithson mit dem Bauarbeiter Bob Phillips bei der Konstruktion des „Spiral Jetty“ im Salt Lake in Utah. Aber auch so ist die Auswahl überzeugend gelungen, denn man lernt vor allem einen liebenswerten Mann kennen.
Dieser kauft (zu viele) DVDs, sammelt „Treueherzen“ (jawohl), unwillig steht er (zu früh) auf und räumt ungern auf, hat Träume, von denen er mit dem Lied „La Cucaracha“ auf den Lippen aufwacht, der erkennt, dass die Zeugen Jehovas und die Praxis von Banken einander sehr ähnlich sind, der beim Scrabble auf der Zulässigkeit von „Hodenweib“ besteht, der einen Hund besitzt, dem sein Fahrrad geklaut wird und der darüber nur sehr allmählich wütend wird, der Bettlern unsystematisch etwas gibt, der schon darum gerne ins Kino geht, weil er sich dann zwei Stunden lang über genau solche Dinge keine Gedanken machen muss, weil das Leben schon schwer genug ist. Und wir lernen einen Mann kennen, der eine Frau hat, die ihn fragt, ob er kaufsüchtig sei, ob er sich mal einen neuen Wecker kaufen wolle, die sich den Weg zum Bad durch diverse Stapel freigraben muss, die in unregelmäßigen Abständen sagt: „Wir müssen sparen“, die ihren Mann zu einem Tango-Workshop in Berlin Kreuzberg überredet, die urplötzlich selbst Fußball-Spiele im Fernsehen anschauen möchte und die immer wieder aufs Neue die Wohnung anders eingerichtet haben möchte. Wir lernen einen Mann kennen, der einen Sohn – Artur – hat, der zu Weihnachten möglichst viele Geschenke bekommen möchte und „immer“ Fußball spielen möchte, und eine Tochter – Teresa –, mit der sich der Vater darüber unterhalten kann, warum Eltern stolz auf ihre Kinder sind („weil sie manchmal beinahe Tränen in die Augen kriegen und nicht wissen, warum“) und die keine Werbung braucht, dafür lieber shoppen geht.
Das Großartige an diesem Buch ist, dass es alles zugleich ist: lustig, unterhaltsam, traurig und unfertig. Lustig ist es, weil jede und jeder, der schon länger in einer Beziehung lebt, genau diese Situationen und Dialoge kennt, wenn auch nicht unbedingt in der immer gleichen Rollenverteilung. Auch deswegen ist es ein Buch für „Männer“ und „Frauen“. Unterhaltsam ist das Buch, weil man sich diese kleinen Geschichten auch gegenseitig vorlesen kann und als Ausgangspunkt für ein Gespräch verwenden kann, etwa nach dem Motto „Sag mal, findest Du, dass es bei uns…“, und dann feststellt, dass es bei uns genauso oder genau umgekehrt ist. Traurig ist das Buch, weil es nicht nur ein Jammer ist, dass Althen nicht mehr dazukam, es fertig zu stellen, wie Seidl schreibt, sondern vor allem auch darum, weil man beim Lesen immer dran denken muss, wie die Lektüre dieses Buches auf die Frau von Althen, seine beiden Kinder, seinen Bruder, seine Eltern und seine wirklich engen Freunde wirken muss, die dabei gewiss immer seine Stimme hören, die nun endgültig verstummt ist. Das Beste an dem Buch ist aber, dass es ein Fragment ist, unfertig, abschweifend, redundant, wie das Leben eben auch.
Man muss dem Verlag Karl Blessing dankbar sein, sich zu diesem Buch entschlossen zu haben, es so ansprechend gestaltet zu haben mit seiner soliden Aufmachung als gebundenes Exemplar und sehr passenden schwarz-weiß Illustrationen der Berliner Comiczeichnerin Kat Menschik – die merkwürdigerweise nur auf dem Umschlag, nicht aber im Buch selbst genannt wird. Man hat Grund, dem Herausgeber der „F.A.Z.“, Frank Schirrmacher, für sein engagiertes Vorwort zu danken, dessen Schlusswort nur bestätigt werden kann: „Man versteht gar nicht, wie man all die Jahre ohne dieses Buch auskommen konnte.“
Nachdem damit nun viele der verstreuten Kolumnen wieder leicht greifbar geworden sind, inzwischen auch der Film von Michael Althen und Dominik Graf „München – Geheimnisse einer Stadt“ auf DVD erhältlich ist , bleibt nur zu wünschen, dass auch das wunderbare Buch „Warte, wenn es dunkel wird“ erneut im Verlag Karl Blessing aufgelegt wird. So bleibt uns, den Hinterbliebenen, jedenfalls der kleine Trost über den Tod von Michael Althen, dass seine Einfälle, seine Gedanken, seine Blicke und sein Wesen in seinen Arbeiten weiterleben werden.
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